21.11.2024
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Dokument-Nr. 14402

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Urteil18.10.2012BundesgerichtshofIII ZR 196/11 und III ZR 197/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2013, 28Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 28
  • NJW 2013, 168Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 168
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Vorinstanzen zu III ZR 196/10:
  • Landgericht Landshut, Urteil30.11.2010, 54 O 30/10
  • Oberlandesgericht München, Urteil15.07.2011, 1 U 392/11
Vorinstanzen zu III ZR 197/11:
  • Landgericht Passau, Urteil04.11.2010, 1 O 1118/09
  • Oberlandesgericht München, Urteil15.07.2011, 1 U 5279/10
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil18.10.2012

Keine Staats­haf­tungs­ansprüche für Sport­wet­te­n­an­bieter wegen Europa­rechts­verstoßVoraussetzung für Schaden­s­er­satz­an­spruch nach Rechtprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht gegeben

Der Bundes­ge­richtshof hat die Abweisung von zwei Schaden­s­er­satz­klagen einer Sport­wet­te­n­an­bieterin gegen zwei bayerische Städte und den Freistaat Bayern bestätigt. Der Sport­wet­tan­bieterin waren unter Bezugnahme auf den bis zum 31. Dezember 2007 gültigen Staatsvertrag zum Lotteriewesen die Vermittlung von Sportwetten untersagt worden. Voraussetzung für einen Schaden­s­er­satz­an­spruch ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union jedoch, dass die betreffende öffentliche Körperschaft in "hinreichend qualifizierter" Weise gegen Unionsrecht verstoßen hat. Diese Voraussetzungen waren hier nicht gegeben.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls verfügte über eine Erlaubnis der gibraltarischen Behörden für die Veranstaltung von Sportwetten, die sie in Bayern auch über Wettbüros vertrieb, welche von selbständigen Geschäfts­be­sorgern geführt wurden. Die beklagten Städte untersagten im Jahr 2005 unter Bezugnahme auf den bis zum 31. Dezember 2007 gültigen Staatsvertrag zum Lotteriewesen einem Geschäfts­be­sorger die Vermittlung von Sportwetten, weil er nicht die erforderliche staatliche Erlaubnis besaß. Ferner ordneten sie die sofortige Vollziehung ihrer Verfügungen an. Die hiergegen gerichteten Widersprüche und bei den Verwal­tungs­ge­richten angebrachte Anträge auf Wieder­her­stellung der aufschiebenden Wirkung dieser Rechtsbehelfe blieben ohne Erfolg.

Klägerin verlangt Schadensersatz für entgangene Gewinne durch Unter­sa­gungs­ver­fü­gungen

Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteilen vom 8. September 2010 das deutsche Sportwettenmonopol für mit der europa­recht­lichen Dienst­leis­tungs­freiheit (Art. 56 AEUV, früher Art. 49 EGV) unvereinbar erklärt hat, fordert die Klägerin nunmehr Schadensersatz für die aufgrund der Unter­sa­gungs­ver­fü­gungen entgangenen Gewinne in den Jahren 2006 und 2007.

Unterbinden der Geschäft­s­tä­tigkeit der Klägerin stellt keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht dar

Die Vorinstanzen haben einen unions­recht­lichen Schaden­s­er­satz­an­spruch verneint. Der Bundes­ge­richtshof bestätigte diese Ansicht. Voraussetzung für einen solchen Schaden­s­er­satz­an­spruch ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass die betreffende öffentliche Körperschaft in "hinreichend qualifizierter" Weise gegen Unionsrecht verstoßen hat. Hierfür sind unter anderem entscheidend das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie die Fragen, ob der Verstoß vorsätzlich begangen wurde und ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist. Dass die Behörden und die Gerichte in Bayern aufgrund des in dem seinerzeit gültigen Staatsvertrag geregelten Sport­wet­ten­mo­nopols die Tätigkeit des Geschäfts­be­sorgers der Klägerin unterbanden und der bayerische Gesetzgeber das Monopol aufrecht erhielt, stellte hiernach keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht dar. Aufgrund der bis zum Jahr 2005 ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Sport­wet­ten­mo­nopolen in anderen Mitgliedstaaten war noch nicht hinreichend klar, dass die Ausgestaltung des Monopols in Deutschland europa­rechts­widrig war.

Bayerische Behörden und Gerichte durften Zulässigkeit des Unterbindens des Sport­wet­ten­ver­triebs durch andere Anbieter als Monopol­ge­sell­schaften weiter annehmen

Allerdings hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 entschieden, dass die in den deutschen Ländern geltenden Regelungen zum Sport­wet­ten­monopol verfas­sungs­widrig seien, da sie in sich nicht stimmig seien. Zugleich hat es ausgeführt, das die insoweit bestehenden Anforderungen des deutschen Verfas­sungs­rechts parallel zu denen liefen, die das europäische Gemein­schaftsrecht an derartige Monopole stelle. Gleichwohl durften die bayerischen Behörden und Gerichte sowie der Landtag auch nach dieser Entscheidung davon ausgehen, dass der Vertrieb von Sportwetten durch andere Anbieter als die Monopol­ge­sell­schaften auch nach dem europäischen Recht weiter unterbunden werden durfte. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hatte eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2007 für die Fortgeltung der Monopol­vor­schriften zugestanden. In dieser Zeit durften die Regelungen jedoch nur unter bestimmten Maßgaben, die den vom Gericht beanstandeten Unstimmigkeiten entgegenwirkten, angewandt werden. Die Behörden, Gerichte und Gesetzgeber durften deshalb davon ausgehen, dass bei Einhaltung dieser Maßgaben schon vor der gesetzlichen Neuregelung der Sportwetten ein verfassungs- und aufgrund der Parallelität der Anforderungen auch ein union­rechts­kon­former Zustand hergestellt wurde. Dass in Bayern die Maßgaben eingehalten wurden, ist den Behörden in einer Vielzahl von, zum Teil auch vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht gebilligten, Verwal­tungs­ge­richt­s­ent­schei­dungen bestätigt worden.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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