18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 13202

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Urteil15.03.2012BundesgerichtshofIII ZR 148/11
Vorinstanzen:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil04.06.2010, 2-18 O 474/09
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil18.05.2011, 7 U 140/10
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Bundesgerichtshof Urteil15.03.2012

Vertrie­bs­or­ga­ni­sation haftet für strafbares Verhalten ihres Handels­ver­tretersBerührung des Handels­ver­treters mit Rechtsgütern des geschädigten Anlegers war nicht rein zufällig

Der Bundes­ge­richtshof hatte über die Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen eine Vertrie­bs­or­ga­ni­sation, die Anlagen vermittelt, für ein strafbares Verhalten des von ihr eingesetzten Handels­ver­treters einzustehen hat.

Im zugrunde liegenden Streitfall hatte der der Ehemann der Klägerin auf Empfehlung eines Handels­ver­treters beklagten Deutschen Vermö­gens­be­ratung AG (DVAG) im Jahr 2000 an den Deutschen Investment-Trust (DIT) einen Konto­er­öff­nungs­antrag und einen Kaufantrag zum Erwerb von Anteilen an Aktienfonds gerichtet und in der Folgezeit monatliche Zahlungen an die Fonds­ver­wal­tungs­ge­sell­schaft geleistet. In dem Konto­er­öff­nungs­antrag hatte er zugleich den DIT ermächtigt, sowohl der diesen Auftrag vermittelnden Gesellschaft (DVAG) als auch dem Vermittler dieses Auftrags (dem Handels­ver­treter) zum Zwecke der Beratung über die Vermögensanlage in Fonds der Dresdner Bank Invest­ment­gruppe Invest­ment­kon­to­nummer, Name, Anschrift, Geburtsdatum, Nationalität, Telefon- und Telefaxnummer, Bankverbindung, Depotbestände, Depotbewegungen inklusive der steuerlichen Daten, Daten zu Spar- und Auszahlplänen und weitere Daten zu übermitteln.

Handels­ver­treter fälscht Unterschrift des Ehemanns, löst Fondsanlage auf und überweist Verkaufswert der Fondsanteile auf eigenes Privatkonto

Die Klägerin hat behauptet, der Handelsvertreter habe im Jahr 2003 die Fondsanlage ihres Ehemanns durch Verkaufs­aufträge, die er an den DIT gerichtet habe, aufgelöst. Dabei habe er die Unterschrift ihres Ehemanns gefälscht und den Verkaufswert der Fondsanteile auf sein eigenes Privatkonto überweisen lassen. Der Handels­ver­treter ist aufgrund seiner geständigen Einlassung wegen dieses Falles und weiterer Vorgänge zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Landgericht hat die auf Zahlung des veruntreuten Betrages gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlan­des­gericht der Klage im Wesentlichen entsprochen, allerdings Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegen den DIT aus Anlass der Veräußerung der Fondsanteile.

BGH bejaht Einstands­pflicht der Vertrie­bs­or­ga­ni­sation

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Er hat die Annahme des Berufungs­ge­richts gebilligt, dass durch die an den DIT erteilte Ermächtigung, der Beklagten und deren Handels­ver­treter zum Zweck der Beratung fortlaufend Informationen zu erteilen, die normalerweise dem Bankgeheimnis unterliegen, nach § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB* ein Schuld­ver­hältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB** entstanden ist, das durch den Handels­ver­treter verletzt worden ist. Der Bundes­ge­richtshof hat auch die Einstands­pflicht der Beklagten nach § 278 Satz 1 BGB*** bejaht, weil der Handels­ver­treter nicht rein zufällig mit den Rechtsgütern des Anlegers in Berührung gekommen ist, sondern weil ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen seinem schuldhaften Verhalten und den Aufgaben bestand, die ihm im Hinblick auf die Entgegennahme der erteilten Informationen zugewiesen waren. Denn der Handels­ver­treter erhielt die Informationen bestim­mungsgemäß zum Zwecke der Beratung und er war mit Formularen ausgestattet, die eine Auflösung von Vermö­gens­anlagen ermöglichten.

* § 311 BGB Rechts­ge­schäftliche und rechts­ge­schäft­s­ähnliche Schuld­ver­hältnisse Abs. 2:

Erläuterungen
Ein Schuld­ver­hältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch die Aufnahme von Vertrags­ver­hand­lungen, die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechts­ge­schäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder ähnliche geschäftliche Kontakte.

**§ 241 BGB Pflichten aus dem Schuld­ver­hältnis Abs. 2:

Das Schuld­ver­hältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

***§ 278 BGB Verant­wort­lichkeit des Schuldners für Dritte

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung einer Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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