03.12.2024
03.12.2024  
Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 32452

Drucken
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil13.12.2022

Bundes­ge­richtshof entscheidet erneut zur Übernahme der Postbank durch die Deutsche BankAktionäre dürfen weiter auf Nachzahlung hoffen

Der Bundes­ge­richtshof hatte erneut darüber zu entscheiden, ob die den Aktionären der Deutschen Postbank AG von der Deutschen Bank AG gewährte Gegenleistung für ihre Aktien angemessen war.

Die Klägerinnen und Kläger der beiden Verfahren hielten Aktien der Deutschen Postbank AG (Postbank). Die Beklagte, die Deutsche Bank AG, veröffentlichte am 7. Oktober 2010 ein Übernah­me­angebot nach § 29 Abs. 1 des Wertpa­pie­r­erwerbs- und Übernah­me­ge­setzes (WpÜG) zum Preis von 25 € je Aktie, das die Klägerinnen und Kläger annahmen. Diese sind der Auffassung, dass die Beklagte 57,25 € je Aktie als angemessene Gegenleistung hätte anbieten müssen und verlangen Zahlung des Diffe­renz­betrags.

Die Deutsche Bank AG schloss am 12. September 2008 mit der Deutschen Post AG einen Vertrag ("Ursprungs­vertrag") über den Erwerb einer Minder­heits­be­tei­ligung an der Postbank von 29,75 % zum Preis von 57,25 € pro Aktie. Zusätzlich wurden wechselseitige Optionen über Aktienpakete in Höhe von 18 % (Erwerbsoption zu 55 € je Aktie) bzw. 20,25 % plus einer Aktie (Veräu­ße­rungs­option zu 42,80 € je Aktie) vereinbart. Nachdem die Deutsche Bank AG und die Deutsche Post AG Ende Dezember 2008 aufgrund veränderter Markt­be­din­gungen zunächst vereinbart hatten, den Vollzug der ursprünglichen Erwer­bs­ver­ein­barung zu verschieben, schlossen sie am 14. Januar 2009 eine Nachtrags­ver­ein­barung, nach der der Erwerb der Postbank in drei Schritten erfolgen sollte: Zunächst sollte die Deutsche Bank AG 50 Mio. Aktien (22,9 % des Grundkapitals der Postbank) zum Preis von 23,92 € je Aktie erwerben. Sodann 60 Mio. Aktien (27,4 % des Grundkapitals) über eine Pflich­t­um­tausch­anleihe mit Fälligkeit zum 25. Februar 2012 zum Preis von 45,45 € je Aktie und schließlich 26.417.432 Aktien (12,1 % des Grundkapitals) aufgrund von wechselseitigen Optionen (48,85 € je Aktie für die Erwerbsoption und 49,42 € je Aktie für die Verkaufsoption). Die Optionen sollten zwischen dem 28. Februar 2012 und dem 25. Februar 2013 ausgeübt werden können. Die Deutsche Post AG verpfändete im Dezember 2008 und Januar 2009 Aktien der Postbank an die Beklagte, um deren Ansprüche aus den getroffenen Vereinbarungen und einer von der Beklagten geleisteten Sicherheit in Höhe von 3,1 Mrd. € zu sichern. Die Klägerinnen und Kläger sind der Ansicht, die Deutsche Bank AG hätte schon aufgrund des Ursprungs­vertrags ein Pflichtangebot zu einem Preis von 57,25 € pro Aktie veröffentlichen müssen, weil dieser Vertrag zu einem Kontrollerwerb der Beklagten gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG geführt habe.

BGH hebt Urteile auf

Im Verfahren II ZR 9/21 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Oberlan­des­gericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundes­ge­richtshof das Urteil des Oberlan­des­ge­richts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen. Das Oberlan­des­gericht hat Beweis erhoben und die Berufung der Klägerin erneut zurückgewiesen. Im Verfahren II ZR 14/21 hatten die Klägerinnen und Kläger mit ihren Klagen zunächst ganz überwiegend Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlan­des­gericht die Klagen abgewiesen. Mit ihren vom Berufungs­gericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen und Kläger ihr Klagebegehren weiter. Der Bundes­ge­richtshof hat die Berufungs­urteile aufgehoben und die Sachen an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Die Klägerinnen und Kläger können einen Anspruch auf weitere Zahlung haben, wenn die Beklagte bereits auf Grund der zwischen dem 12. September 2008 bis Ende Februar 2009 geschlossenen Vereinbarungen verpflichtet gewesen wäre, den Aktionären der Deutschen Postbank AG ein Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 WpÜG zu unterbreiten. Dafür kommt es darauf an, ob die Beklagte die Schwelle von mindestens 30 % der Stimmrechte an der Postbank aufgrund der Zurechnung von Stimmrechten aus den von der Deutschen Post AG gehaltenen Aktien gemäß § 30 WpÜG überschritt. Die den Berufungs­ur­teilen zu Grunde liegende Beurteilung, dass die Voraussetzungen für eine Zurechnung von Stimmrechten nicht vorliegen, hält in einigen Punkten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

Einflussnahme durch Inter­es­sen­s­chutz­klauseln?

Soweit die Vereinbarungen Regelungen zur Ausübung der Stimmrechte aus den Aktien durch die Deutsche Post AG bis zum Vollzug der Transaktionen (sog. Inter­es­sen­s­chutz­klauseln) enthielten, kommt es für die Zurechnung wegen einer Verhal­tens­ab­stimmung durch eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten (§ 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 1, Satz 2 Fall 1 WpÜG) nicht darauf an, ob eine Inter­es­sen­s­chutz­klausel darauf gerichtet ist, die bestehenden Verhältnisse bei der Zielge­sell­schaft im Zeitraum zwischen dem Abschluss und dem Vollzug eines Kaufvertrags über Aktien der Zielge­sell­schaft aufrecht­zu­er­halten und/oder diese keine über die allgemeine Leistungs­treu­e­pflicht hinausgehende Absprache oder tatsächliche Einflussnahme vorsieht. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Regelungen auf eine tatsächliche und konkrete Einflussnahme bei der Zielge­sell­schaft gerichtet waren. Diese Voraussetzung lag nach den getroffenen Feststellungen hinsichtlich des jeweils ersten Teils der Transaktion, den Erwerb einer Minder­heits­be­tei­ligung, nicht vor.

Keine Vorlage an den EuGH - aber weitere Feststellung notwendig

Ob eine Zurechnung unter diesem Gesichtspunkt auch in einer Gesamtschau der vorgelegten Verträge zu verneinen ist, kann aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Soweit sich in diesem Zusammenhang Fragen zur Auslegung des Gemein­schafts­rechts, namentlich der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernah­me­an­gebote stellen, hat der Senat von einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union abgesehen, weil im jetzigen Verfah­rens­stadium nicht abzusehen ist, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf eine Antwort des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung des Gemein­schafts­rechts ankommen wird. Eine Zurechnung von Stimmrechten kommt weiter unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass die Deutsche Post AG die Aktien der Postbank nach den Vereinbarungen bereits für Rechnung der Beklagten gehalten hat (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG). Das Berufungs­gericht hat hierzu rechts­feh­lerhaft angenommen, dass die Voraussetzungen einer Zurechnung nicht vorliegen, weil die Dividen­den­chance aus den betreffenden Aktien bei der Deutschen Post AG verblieben sei. Die gebotene Gesamt­be­trachtung unter wirtschaft­lichen Gesichtspunkten spricht unter Berück­sich­tigung der getroffenen Feststellungen nicht gegen, sondern für den Übergang der Dividen­den­chance auf die Beklagte. Die Entscheidung des Berufungs­ge­richts im Verfahren II ZR 14/21 erweist sich auch nicht teilweise im Ergebnis als richtig, weil die Ansprüche einiger Klägerinnen und Kläger verjährt sind. Der geltend gemachte Anspruch unterliegt der regelmäßigen Verjäh­rungsfrist von drei Jahren nach §§ 195, 199 BGB. Eine Klageerhebung war den betreffenden Klägerinnen und Klägern allerdings wegen der rechtlichen Unsicherheiten über das Bestehen eines Anspruchs jedenfalls vor dem Urteil des Bundes­ge­richtshofs vom 29. Juli 2014 (II ZR 353/12, BGHZ 202, 180) nicht zumutbar.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil32452

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI