23.11.2024
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Dokument-Nr. 13830

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Urteil16.07.2012BundesgerichtshofII ZR 55/11
Vorinstanzen:
  • Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil22.04.2010, 2 HK O 89/09
  • Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil03.02.2011, 4 U 76/10
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil16.07.2012

Vorzeitige Wieder­be­stellung von Vorstands­mit­gliedern einer Aktien­ge­sell­schaft grundsätzlich zulässigBesondere Gründe für vorzeitige Wieder­be­stellung nicht erforderlich

Der Bundes­ge­richtshof hatte über die Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Vorstands­mitglied vorzeitig wiederbestellt werden kann.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft, an der zwei Familienstämme beteiligt sind. Am Tag vor der Hauptversammlung vom 7. Juli 2007 beschloss der Aufsichtsrat, zwei Vorstands­mit­glieder, die einem Familienstamm zuzurechnen waren, unter "einver­nehm­licher Aufhebung" ihrer noch bis zum Januar 2010 laufenden Bestellung für jeweils fünf Jahre bis Juli 2012 erneut zu Vorstands­mit­gliedern zu bestellen.

LG verneint, OLG bejaht Nichtigkeit der Wieder­be­stellung der beiden Vorstands­mit­glieder

Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die Aufsichts­rats­be­schlüsse über die Wieder­be­stellung der beiden Vorstands­mit­glieder nichtig sind. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlan­des­gericht hat ihr stattgegeben. Nach seinen Feststellungen wurden die Beschlüsse über die vorzeitige Wieder­be­stellung für fünf Jahre vor dem Hintergrund von Streitigkeiten zwischen den Familienstämmen gefasst, um für den am nächsten Tag von der Haupt­ver­sammlung zu wählenden neuen Aufsichtsrat "vollendete Tatsachen" zu schaffen.

Vorzeitige Wieder­be­stellung nur bei Vorliegen besonderer Umstände möglich

Nach § 84 Abs. 1 AktG* dürfen Vorstands­mit­glieder auf höchstens fünf Jahre bestellt werden; über eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit darf der Aufsichtsrat frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit entscheiden. Im juristischen Schrifttum herrscht Streit darüber, ob die erneute Bestellung eines Vorstands­mit­glieds unter gleichzeitiger Aufhebung seiner bisherigen Bestellung außerhalb der Jahresfrist rechtmäßig ist oder eine unzulässige Umgehung des § 84 Abs. 1 AktG darstellt. Nach Nr. 5.1.2 des DCGK (Deutscher Corporate Governance Kodex) soll eine Wieder­be­stellung vor Ablauf eines Jahres vor dem Ende der Bestelldauer bei gleichzeitiger Aufhebung der laufenden Bestellung nur bei Vorliegen besonderer Umstände erfolgen.

BGH bejaht vorzeitige Wieder­be­stellung auch ohne besondere Gründe

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass nach § 84 Abs. 1 AktG eine Wieder­be­stellung des Vorstands­mit­glieds für (höchstens) fünf Jahre nach einver­ständ­licher Amtsnie­der­legung auch ohne besondere Gründe zulässig ist. Sowohl die Gesetz­ge­bungs­ge­schichte als auch der Sinn und Zweck des § 84 Abs. 1 AktG lassen diese Möglichkeit zu. Entscheidend ist danach, dass der Aufsichtsrat sich nicht länger als nach § 84 Abs. 1 AktG zulässig bindet und mindestens alle fünf Jahre über die Verlängerung der Amtszeit des Vorstands­mit­glieds eine Entscheidung trifft. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Dass der neue Aufsichtsrat durch die Entscheidung gebunden wird, macht sie nicht unzulässig. Denn der Aufsichtsrat in seiner jeweiligen personellen Zusammensetzung hat kein Recht, den Vorstand ohne Rücksicht auf die Laufzeit der Bestellungen mit Mitgliedern seines Vertrauens zu besetzen. Gründe, aus denen die Wieder­be­stellung im konkreten Fall rechts­miss­bräuchlich hätte sein können, waren nicht ersichtlich.

* § 84 Abs. 1 AktG - Bestellung und Abberufung des Vorstands:

Vorstands­mit­glieder bestellt der Aufsichtsrat auf höchstens fünf Jahre. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig. Sie bedarf eines erneuten Aufsichts­rats­be­schlusses, der frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefasst werden kann. Nur bei einer Bestellung auf weniger als fünf Jahre kann eine Verlängerung der Amtszeit ohne neuen Aufsichts­rats­be­schluss vorgesehen werden, sofern dadurch die gesamte Amtszeit nicht mehr als fünf Jahre beträgt. Dies gilt sinngemäß für den Anstel­lungs­vertrag; er kann jedoch vorsehen, dass er für den Fall einer Verlängerung der Amtszeit bis zu deren Ablauf weitergilt.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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