21.11.2024
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Dokument-Nr. 28966

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Beschluss16.06.2020BundesgerichtshofII ZB 10/19
Vorinstanz:
  • Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss27.03.2019, 20 KAP 2/17
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss16.06.2020

BGH lässt Diesel-Musterverfahren von Kapitalanlegern gegen Porsche zuVerfahren betreffen unter­schiedliche Kapitalmark­tinformationen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass das beim Oberlan­des­gericht Braunschweig anhängige Kapitalanleger-Musterverfahren gegen die Volkswagen AG zur Verletzung von Publizitäts­pflichten im Zusammenhang des sogenannten Dieselskandals einem weiteren Kapitalanleger-Musterverfahren beim Oberlan­des­gericht Stuttgart gegen die Porsche SE nicht entgegen steht.

Die Porsche Automobil Holding SE ("Porsche SE") ist als Holding­ge­sell­schaft mit rund 52 % der Stimmrechte an der Volkswagen AG beteiligt. Im Jahr 2007 stellte die Volkswagen AG eine neue Baureihe von Dieselmotoren unter der Bezeichnung EA 189 vor, die sie ab dem Jahr 2008 baute und auch in den USA vermarktete. Am 22. September 2015 veröffentlichte die Volkswagen AG eine Ad-hoc-Meldung, der zufolge nach bisherigen internen Prüfungen weltweit rund 11 Mio. Fahrzeuge mit Dieselmotoren des Typs EA 189 Auffälligkeiten bezüglich ihres Stick­o­xid­ausstoßes aufwiesen, weshalb sie beabsichtige, im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres rund 6,5 Mrd. € ergebniswirksam zurückzustellen. Ebenfalls am 22. September 2015 informierte die Porsche SE in einer Ad-hoc-Meldung hierüber und teilte mit, dass bei ihr infolge der Kapital­be­tei­ligung an der Volkswagen AG ein entsprechender ergeb­nis­be­las­tender Effekt zu erwarten sei. In der Zeit ab Mitte September 2015 brachen die Aktienkurse der Stamm- und Vorzugsaktien der Volkswagen AG und der Porsche SE ein.

OLG erklärt Kapitalanleger-Musterverfahren gegen Porsche wegen anhängige Kapitalanleger-Musterverfahren gegen VW für unzulässig

Mit einem Kapitalanleger-Musterverfahren vor dem Oberlan­des­gericht Braunschweig soll geklärt werden, ob die Volkswagen AG im Zusammenhang mit dem als VW-Abgasskandal bezeichneten Sachverhalt ihre Publi­zi­täts­pflichten verletzt hat. Das Landgericht Stuttgart hat dem Oberlan­des­gericht Stuttgart zur Herbeiführung eines Muste­rent­scheids Feststel­lungsziele vorgelegt, mit denen die unmittelbare Betroffenheit der Porsche SE von Vorgängen aus dem Bereich der Volkswagen AG, hieraus folgende Ad-hoc-Mittei­lungs­pflichten, und Fragen der Wissens­zu­rechnung geklärt werden sollen. Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat ein weiteres Kapitalanleger-Musterverfahren im Hinblick auf das vor dem Oberlan­des­gericht Braunschweig anhängige Kapitalanleger-Musterverfahren für unzulässig erklärt. Die Entscheidung in einem weiteren Kapitalanleger-Musterverfahren sei von der Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Braunschweig über die Feststel­lungsziele des dortigen Kapitalanleger-Muster­ver­fahrens abhängig und beide Verfahren beträfen mit den Vorgängen bei der Volkswagen AG denselben Lebens­sach­verhalt. Gegen diese Entscheidung haben sich Kapitalanleger mit ihren vom Oberlan­des­gericht zugelassenen Rechts­be­schwerden gewandt.

BGH: Verfahren in Braunschweig sperrt Verfahren vor dem OLG Stuttgart nicht

Der Bundes­ge­richtshof hat die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts aufgehoben und die Sache zur Entscheidung über die Bestimmung eines Musterklägers an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen. Ein weiteres Kapitalanleger-Musterverfahren ist wegen der Sperrwirkung des Vorla­ge­be­schlusses gemäß § 7 Satz 1 KapMuG ausgeschlossen, soweit die Entscheidung über die Feststel­lungsziele in einem bereits eingeleiteten Musterverfahren die Prozessgerichte in den Verfahren, die im Hinblick auf die Feststel­lungsziele des weiteren Muster­ver­fahrens nach § 8 Abs. 1 KapMuG auszusetzen wären, bindet.

Verfahren betreffen unter­schiedliche Kapital­ma­rk­t­in­for­ma­tionen

Bei Schaden­s­er­satz­ansprüchen, die auf das Unterlassen einer öffentlichen Kapital­ma­rk­t­in­for­mation gestützt werden, hat eine Entscheidung über die Feststel­lungsziele eines bereits eingeleiteten Muster­ver­fahrens nur dann bindende Wirkung für andere Prozesse, wenn diese dieselbe öffentliche Kapital­ma­rk­t­in­for­mation betreffen. Das Kapitalanleger-Musterverfahren vor dem Oberlan­des­gericht Braunschweig sperrt danach das Verfahren vor dem Oberlan­des­gericht Stuttgart nicht, weil Gegenstand der Feststel­lungsziele des vor dem Oberlan­des­gericht Braunschweig eingeleiteten Muster­ver­fahrens Schaden­s­er­satz­ansprüche wegen öffentlicher Kapital­ma­rk­t­in­for­ma­tionen der Volkswagen AG sind, während das Verfahren vor dem Oberlan­des­gericht Stuttgart öffentliche Kapital­ma­rk­t­in­for­ma­tionen der Porsche SE betreffen soll. Dass Vorgänge bei der Volkswagen AG jedenfalls mittelbar in beiden Verfahren von Bedeutung sind, ist nicht entscheidend.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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