24.11.2024
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Dokument-Nr. 30959

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Bundesgerichtshof Urteil20.10.2021

Widerrufsrecht bei Verbraucher­verträgen über die Lieferung und Montage eines Kurven­trep­penliftsKein Ausschluss des Widerrufsrechts da Werkvertrag

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass Verbraucher über das ihnen zustehende Widerrufsrecht zu informieren sind, wenn sie außerhalb von Geschäftsräumen einen Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurven­trep­penlifts abschließen, für den eine passende Laufschiene angefertigt und in das Treppenhaus des Kunden eingepasst werden muss.

Die Klägerin ist eine Verbraucherzentrale. Die Beklagte vertreibt Kurven­trep­penlifte. Dabei handelt es sich um Treppenlifte mit Schienen, die individuell an die im Treppenhaus zu befahrenden Kurven angepasst werden. Die Beklagte teilt Verbrauchern bezüglich der Kurven­trep­penlifte mit, dass - außer für ein bestimmtes Modell - kein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe. Die Klägerin ist der Ansicht, dass ein Widerrufsrecht bestehe und sieht in dem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen das Wettbe­wer­bsrecht. Sie nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlan­des­gericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stehe kein Unter­las­sungs­an­spruch zu, weil im Streitfall kein Widerrufsrecht des Verbrauchers bestehe. Die Klägerin ging in Revision.

Erstbe­ge­hungs­gefahr eines Verstoßes gegen Markt­ver­hal­tens­re­ge­lungen

Der Bundes­ge­richtshof hat auf die Revision der Klägerin das Urteil des Oberlan­des­ge­richts aufgehoben und die Beklagte dem Klageantrag entsprechend zur Unterlassung verurteilt. Die Werbung der Beklagten mit der Angabe, im Falle eines Kurven­trep­penlifts mit individuell geformten und an die Gegebenheiten vor Ort angepassten Laufschienen bestehe kein Widerrufsrecht des Verbrauchers, begründet eine Erstbe­ge­hungs­gefahr für einen Verstoß gegen die als Markt­ver­hal­tens­re­ge­lungen im Sinne des § 3 a UWG einzustufenden Vorschriften des § 312 d Abs. 1 BGB und Art. 246a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, nach denen über das nach § 312 g Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren ist.

Kein Ausschluss des Widerrufsrecht im Streitfall bei Vorliegen eines Werkvertrags

Das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312 g Abs. 1 BGB ist im Streitfall entgegen der Ansicht des Oberlan­des­ge­richts nicht gemäß § 312 g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Der Begriff der "Verträge zur Lieferung von Waren" im Sinne dieser Vorschrift ist mit Blick auf Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher dahingehend richt­li­ni­en­konform auszulegen, dass dazu Kaufverträge (§ 433 BGB) und Werklie­fe­rungs­verträge (§ 650 BGB), aber weder Dienstverträge (§ 611 BGB) noch - jedenfalls im Regelfall - Werkverträge (§ 631 BGB) zählen. Die im Streitfall erfolgte Werbung ist auf den Abschluss eines § 312 g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht unterfallenden Werkvertrags gerichtet.

Abgrenzung von Werklie­fe­rungs­ver­trägen und Werkverträgen

Für die Abgrenzung von Kauf- und Werklie­fe­rungs­ver­trägen einerseits und Werkverträgen andererseits kommt es darauf an, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamt­be­trachtung der Schwerpunkt liegt. Im Streitfall liegt der Schwerpunkt des angestrebten Vertrags nicht auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz am zu liefernden Treppenlift, sondern auf der Herstellung eines funkti­o­ns­taug­lichen Werks, das zu einem wesentlichen Teil in der Anfertigung einer passenden Laufschiene und ihrer Einpassung in das Treppenhaus des Kunden besteht. Auch der hierfür, an den individuellen Anforderungen des Bestellers ausgerichtete, erforderliche Aufwand spricht daher für das Vorliegen eines Werkvertrags.

Einbau des Treppenlifts im Vordergrund

Bei der Bestellung eines Kurven­trep­penlifts, der durch eine individuell erstellte Laufschiene auf die Wohnver­hältnisse des Kunden zugeschnitten wird, steht für den Kunden nicht die Übereignung, sondern der Einbau eines Treppenlifts als funktionsfähige Einheit im Vordergrund, für dessen Verwirklichung die Lieferung der Einzelteile einen zwar notwendigen, aber untergeordneten Zwischenschritt darstellt.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/aw)

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