18.10.2024
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Dokument-Nr. 21821

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Urteil05.11.2015BundesgerichtshofI ZR 91/11, I ZR 76/11 und I ZR 88/13
Vorausgegangene Entscheidungen zu I ZR 91/11:
  • Landgericht Hamburg, Urteil02.01.2009, 308 O 255/07
  • Oberlandesgericht Hamm, Urteil27.04.2011, 5 U 26/09
  • Bundesgerichtshof, Beschluss01.04.2013, I ZR 91/11
  • Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil13.05.2015, C-516/13
Vorausgegangene Entscheidungen zu I ZR 76/11:
  • Landgericht Hamburg, Urteil12.09.2008, 308 O 255/07
  • Oberlandesgericht Hamburg, Urteil30.03.2011, 5 U 207/08
Vorausgegangene Entscheidungen zu I ZR 88/13:
  • Amtsgericht Hamburg, Urteil13.09.2012, 35a C 159/12
  • Landgericht Hamburg, Urteil26.04.2013, 308 S 11/12
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil05.11.2015

Werbung für Erwerb eines Werkes kann in Urheberrecht eingreifenRechteinhaber kann Schadensersatz und Unterlassung verlangen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass das urheber­rechtliche Verbrei­tungsrecht das Recht umfasst, das Original oder Ver­viel­fältigungs­stücke eines Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten.

Die Klägerin im Verfahren I ZR 91/11 ist Inhaberin der ausschließ­lichen urheber­recht­lichen Nutzungsrechte an Möbeln nach Entwürfen von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe. Die Beklagte ist eine in Italien ansässige Gesellschaft, die europaweit Designmöbel im Direktvertrieb vermarktet. Sie wirbt auf ihrer in deutscher Sprache abrufbaren Internetseite und in Deutschland erscheinenden Tageszeitungen, Zeitschriften und Werbeprospekten für den Kauf ihrer Möbel mit dem Hinweis: Sie erwerben Ihre Möbel bereits in Italien, bezahlen aber erst bei Abholung oder Anlieferung durch eine inkas­so­be­rechtigte Spedition (wird auf Wunsch von uns vermittelt). Zu den Möbeln gehören auch Nachbildungen der von Marcel Breuer entworfenen Möbel. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze mit ihrer Werbung das Recht des Urhebers nach § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG*, Verviel­fäl­ti­gungs­stücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom BGH zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Klägerin beanstandet Eingriff in Urheberrecht durch Werbung der Beklagten

Die Klägerin im Verfahren I ZR 76/11 ist Inhaberin der ausschließ­lichen urheber­recht­lichen Nutzungsrechte an Leuchten nach Entwürfen von Prof. Wilhelm Wagenfeld. Sie produziert und vertreibt die sogenannte Wagenfeld-Leuchte. Bei der Beklagten handelt es sich um das auch im Verfahren I ZR 91/11 beklagte Unternehmen. Sie bringt Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte auf den Markt. Sie wirbt deutschsprachig im Internet und in Printmedien unter wörtlicher oder bildlicher Bezugnahme auf die Wagenfeld-Leuchte mit der Möglichkeit des Bezugs einer derartigen Leuchte in Italien. Die Werbung enthält den Hinweis, dass deutsche Kunden die Leuchte unmittelbar oder zu Händen eines Spediteurs zur Mitnahme nach Deutschland übereignet erhalten können. Die Klägerin ist der Ansicht, die Werbung der Beklagten greife in das Recht des Urhebers zum öffentlichen Anbieten im Sinne von § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG ein. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Bundes­ge­richtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klage­ab­wei­sungs­antrag weiter.

Klägerin rügt Verletzung des Verbrei­tungsrecht des ausübenden Künstlers

Die Beklagte im Verfahren I ZR 88/13 betreibt im Internet einen Tonträgerhandel. Am 30. November 2011 war auf der Inter­net­ver­kaufsseite der Beklagten die DVD "Al Di Meola - In Tokio (Live)" eingestellt. Die auf der DVD befindliche Aufnahme war vom aufführenden Künstler Al Di Meola nicht autorisiert worden (sog. Schwarzpressung). Die Klägerin, eine Rechts­an­walts­kanzlei, mahnte die Beklagte im Auftrag des Künstlers ab. Sie ist der Ansicht, das Anbieten der DVD verletze das Verbrei­tungsrecht des ausübenden Künstlers aus § 77 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 UrhG**. Die Beklagte entfernte zwar das Angebot von ihrer Internetseite und gab eine strafbewehrte Unter­las­sungs­er­klärung ab; sie weigerte sich jedoch, die Kosten der Abmahnung zu erstatten. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Inhaber des Verbrei­tungs­rechts an geschütztem Werk darf Angebote und Werbung in Bezug auf das Originalprodukt verbieten

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision in allen drei Verfahren zurückgewiesen. Da es sich bei dem Verbrei­tungsrecht des Urhebers um nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmungen der § 17 Abs. 1 UrhG richt­li­ni­en­konform auszulegen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage des Bundes­ge­richtshofs entschieden, Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG sei dahin auszulegen, dass der Inhaber des ausschließ­lichen Verbrei­tungs­rechts an einem geschützten Werk Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf Verviel­fäl­ti­gungs­stücke des Werkes auch dann verbieten könne, wenn nicht erwiesen sein sollte, dass es aufgrund dieser Werbung zu einem Erwerb des Schutz­ge­gen­stands durch einen Käufer aus der Union gekommen sei, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheber­rechtlich geschützt sei, zu dessen Erwerb anrege. Entsprechendes gilt für den Inhaber des ausschließ­lichen Rechts des ausübenden Künstlers nach § 77 Abs. 2 Satz 1 UrhG (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2006/115/EG****), den Bild- oder Tonträger, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers aufgenommen worden ist, zu verbreiten.

BGH bejaht Verletzung des ausschließ­lichen Rechts zur Verviel­fäl­tigung

Danach verletzt die beanstandete Werbung in den Verfahren I ZR 91/11 und I ZR 76/11 das ausschließliche Recht zur Verbreitung von Verviel­fäl­ti­gungs­stücken der in Deutschland als Werke der angewandten Kunst geschützten Modelle der Möbel von Marcel Breuer, Ludwig Mies van der Rohe und der Wagenfeld-Leuchte. Bei der Werbung handelt es sich um eine gezielte Werbung in Bezug auf Verviel­fäl­ti­gungs­stücke der Möbelmodelle und des Leuchtenmodells, die die Verbraucher in Deutschland zu deren Erwerb anregt. Sie kann daher auch dann verboten werden, wenn es aufgrund dieser Werbung nicht zu einem Erwerb solcher Möbel durch Käufer aus der Union gekommen sein sollte. Desgleichen stellt im Verfahren I ZR 88/13 das Einstellen der DVD auf einer Inter­net­ver­kaufs­plattform, durch das zum Erwerb des Verviel­fäl­ti­gungs­stücks eines Bildtonträgers aufgefordert wird, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers Al Di Meola aufgenommen worden ist, ein das Verbrei­tungsrecht des ausübenden Künstlers verletzendes Angebot an die Öffentlichkeit dar.

*§ 17 Abs. 1 UrhG

Erläuterungen
Das Verbrei­tungsrecht ist das Recht, das Original oder Verviel­fäl­ti­gungs­stücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen.

**§ 77 Abs. 2 Satz 1 UrhG

Der ausübende Künstler hat das ausschließliche Recht, den Bild- oder Tonträger, auf den seine Darbietung aufgenommen worden ist, zu vervielfältigen und zu verbreiten.

***Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf Verviel­fäl­ti­gungs­stücke davon das ausschließliche Recht zusteht, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten.

****Art. 9 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2006/115/EG

Die Mitgliedstaaten sehen das ausschließliche Recht, die in den Buchstaben a bis d genannten Schutz­ge­gen­stände sowie Kopien davon der Öffentlichkeit im Wege der Veräußerung oder auf sonstige Weise zur Verfügung zu stellen (nachstehend "Verbrei­tungsrecht" genannt), wie folgt vor a) für ausübende Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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