21.11.2024
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Dokument-Nr. 32348

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Bundesgerichtshof Beschluss10.11.2022

BGH legt EuGH erneut eine Frage zur Klagebefugnis von Verbraucher­schutzverbänden bei Datenschutz­verstößen durch Facebook vorDatenschutz-Klagerecht von Verbrau­cher­schützern weiter offen

Der Bundes­ge­richtshof hat darüber zu entscheiden, ob ein Verstoß des Betreibers eines sozialen Netzwerks gegen die datenschutz­rechtliche Verpflichtung, die Nutzer dieses Netzwerks über Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer Daten zu unterrichten, wettbewerbs­rechtliche Unterlassungs­ansprüche begründet und von Verbraucher­schutzbänden verfolgt werden kann.

Die in Irland ansässige Beklagte, die Meta Platform Ireland Limited (ehemals Facebook Ireland Limited), betreibt das soziale Netzwerk "Facebook". Auf der Inter­net­plattform dieses Netzwerks befindet sich ein "App-Zentrum", in dem die Beklagte den Nutzern ihrer Plattform kostenlos Online-Spiele anderer Anbieter zugänglich macht. Im November 2012 wurden in diesem App-Zentrum mehrere Spiele angeboten, bei denen unter dem Button "Sofort spielen" folgende Hinweise zu lesen waren: "Durch das Anklicken von ‚Spiel spielen‚ oben erhält diese Anwendung: Deine allgemeinen Informationen, Deine-Mail-Adresse, Über Dich, Deine Statusmeldungen. Diese Anwendung darf in deinem Namen posten, einschließlich dein Punktestand und mehr." Bei einem Spiel endeten die Hinweise mit dem Satz: "Diese Anwendung darf Statusmeldungen, Fotos und mehr in deinem Namen posten." Der Kläger ist der in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Dachverband der Verbrau­cher­zen­tralen der Bundesländer. Er beanstandet die Präsentation der unter dem Button "Sofort spielen" gegebenen Hinweise im App-Zentrum als unlauter unter anderem unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs wegen Verstoßes gegen gesetzliche Anforderungen an die Einholung einer wirksamen daten­schutz­recht­lichen Einwilligung des Nutzers. Ferner sieht er in dem abschließenden Hinweis bei einem Spiel eine den Nutzer unangemessen benach­tei­ligende Allgemeine Geschäfts­be­dingung. Er hält sich zur Geltendmachung von Unter­las­sungs­ansprüchen im Wege der Klage vor den Zivilgerichten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG für befugt.

Verfahren erstmals im Mai 2020 ausgesetzt

Der Bundes­ge­richtshof hat das Verfahren erstmals im Mai 2020 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt, ob die in Kapitel VIII, insbesondere in Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie Art. 84 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung) getroffenen Bestimmungen nationalen Regelungen entgegenstehen, die - neben den Eingriffs­be­fug­nissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichts­be­hörden und den Rechts­schutz­mög­lich­keiten der betroffenen Personen - einerseits Mitbewerbern und andererseits nach dem nationalen Recht berechtigten Verbänden, Einrichtungen und Kammern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dazu entschieden, dass Art. 80 Abs. 2 der VO (EU) 2016/679 einer nationalen Regelung, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbrau­che­r­in­teressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes perso­nen­be­zogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erheben kann, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäft­s­praktiken, ein Verbrau­cher­schutz­gesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäfts­be­din­gungen verstoßen worden sei, nicht entgegensteht, sofern die betreffende Daten­ver­a­r­beitung die Rechte identifizierter oder identi­fi­zierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen kann.

BGH setzt Verfahren erneut aus und bittet EuGH um Vorab­ent­scheidung

Der Bundes­ge­richtshof hat nach mündlicher Verhandlung vom 29. September 2022 das Verfahren erneut ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt, ob eine Rechts­ver­letzung "infolge einer Verarbeitung" im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO geltend gemacht wird, wenn ein Verband zur Wahrung von Verbrau­che­r­in­teressen seine Klage darauf stützt, die Rechte einer betroffenen Person seien verletzt, weil die Infor­ma­ti­o­ns­pflichten gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO über den Zweck der Daten­ver­a­r­beitung und den Empfänger der perso­nen­be­zogenen Daten nicht erfüllt worden seien.

Weitergehende Klärung der Verbands­kla­ge­be­fugnis notwendig

Die Notwendigkeit einer erneuten Vorlage ergibt sich aus folgenden Umständen: Der Senat ist in seinem ersten Vorla­ge­be­schluss vom Mai 2020 davon ausgegangen, dass sich eine nach deutschem Recht gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG bestehende Klagebefugnis des Klägers wegen seines im Streitfall allein auf die objektiv-rechtliche Durchsetzung des Daten­schutz­rechts gerichteten Klagebegehrens nicht den die Rechtsbehelfe, die Haftung und Sanktionen regelnden Bestimmungen des Kapitels VIII der Datenschutz-Grundverordnung und insbesondere nicht den Art. 80 Abs. 1 und 2 DSGVO oder Art. 84 Abs. 1 DSGVO entnehmen lässt. Er hat daher dem Gerichtshof der Europäischen Union mit seinem ersten Vorabentscheidungsersuchen die Frage vorgelegt, ob die Datenschutz-Grundverordnung in Bezug auf die Klagebefugnis eine abschließende Regelung trifft, die der Anwendbarkeit der § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG entgegensteht. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat - abweichend von der vom Senat im Vorla­ge­be­schluss vertretenen Ansicht - entschieden, dass sich die Klagebefugnis des Klägers aus Art. 80 Abs. 2 DSGVO ergeben kann. Die in Art. 80 Abs. 2 DSGVO den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit, ein Verfahren einer Verbandsklage gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes perso­nen­be­zogener Daten vorzusehen, besteht allerdings nur für den Fall, dass der klagende Verband geltend macht, die Rechte einer betroffenen Person gemäß der Datenschutz-Grundverordnung seien "infolge einer Verarbeitung" verletzt worden. Es ist fraglich, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn - wie im Streitfall - die sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO ergebenden Infor­ma­ti­o­ns­pflichten verletzt worden sind. Die erneute Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union dient der Klärung dieser Frage.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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