21.11.2024
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Bundesgerichtshof Beschluss11.04.2019

Abwarten einer EuGH-Entscheidung: BGH setzt Verfahren gegen Facebook wegen Verstößen gegen Daten­schutzrecht ausBGH äußert Zweifel an Klagebefugnis von Verbraucher­verbänden bei Datenschutz-Verstößen

Der Bundes­ge­richtshof hat ein bei ihm anhängiges Verfahren des Bundesverbands der Verbraucher­zentralen und Verbrau­cher­verbände gegen Facebook wegen Verstößen gegen Daten­schutzrecht bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in einem diesem vom Oberlan­des­gericht Düsseldorf vorgelegten Vorab­entscheidungs­verfahren ausgesetzt. Der Bundes­ge­richtshof verwies darauf, dass die Datenschutz-Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht könnte, die gemeinnützigen Verbänden zur Wahrung der Interessen der Verbraucher die Befugnis einräumt, im Falle einer Verletzung von Daten­schutz­vorschriften gegen den Verletzer vorzugehen. Möglicherweise lässt die Datenschutz-Richtlinie eine Verfolgung von Verstößen allein durch die Daten­schutz­be­hörden und die Betroffenen und nicht durch Verbände zu.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die in Irland ansässige Beklagte, die Facebook Ireland Limited, betreibt das soziale Netzwerk "Facebook". Auf der Inter­net­plattform dieses Netzwerks befindet sich ein "App-Zentrum", in dem die Beklagte den Nutzern ihrer Plattform kostenlos Online-Spiele anderer Anbieter zugänglich macht. Im November 2012 wurden in diesem App-Zentrum mehrere Spiele angeboten, bei denen unter dem Button "Sofort spielen" folgende Hinweise zu lesen waren: "Durch das Anklicken von 'Spiel spielen' oben erhält diese Anwendung: Deine allgemeinen Informationen, Deine-Mail-Adresse, Über Dich, Deine Statusmeldungen. Diese Anwendung darf in deinem Namen posten, einschließlich dein Punktestand und mehr."

Kläger rügt Verletzung von daten­schutz­recht­lichen Vorschriften

Der Kläger ist der Dachverband der Verbrau­cher­zen­tralen der Bundesländer. Er ist der Ansicht, dass die Beklagte mit dieser Präsentation der Spiele im "App-Zentrum" gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 TMG und § 4 a Abs. 1 Satz 2 BDSG a.F. verstoße, weil die den Nutzern erteilten Hinweise zu Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer Daten unzureichend seien und daher keine Grundlage für eine nach § 4 a Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. wirksame Einwilligung in die Nutzung der Daten bilden könnten. Der Kläger ist ferner der Auffassung, dass es sich bei den verletzten daten­schutz­recht­lichen Vorschriften um Markt­ver­hal­tens­re­ge­lungen im Sinne von § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG a.F. (jetzt § 3 Abs. 1, § 3 a UWG) handele und ein Verstoß daher wettbe­wer­bs­rechtliche Unter­las­sungs­ansprüche nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG begründe, zu deren Geltendmachung er als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG berechtigt sei.

LG bejaht Rechts­wid­rigkeit der Einwilligung in Datenweitergabe

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, auf ihrer Internetseite in einem App-Zentrum Spiele so zu präsentieren, dass Nutzer der Inter­net­plattform mit dem Betätigen eines Buttons wie "Spiel spielen" die Erklärung abgeben, dass der Betreiber des Spiels über das von der Beklagten betriebene soziale Netzwerk Informationen über die dort hinterlegten perso­nen­be­zogenen Daten erhält und ermächtigt ist, Informationen im Namen der Nutzer zu übermitteln (posten). Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

BGH setzt Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH über Vorab­ent­schei­dungs­er­suchen des OLG Düsseldorf aus

Der Bundes­ge­richtshof hat das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-40/17 über das Vorab­ent­schei­dungs­er­suchen des Oberlan­des­ge­richts Düsseldorf vom 19. Januar 2017 (Beschluss vom 19. Januar 2017 - I-20 U 40/16) ausgesetzt. Das Oberlan­des­gericht hat dem Gerichtshof der Europäischen Union in diesem Verfahren, in dem es um den "Gefällt mir"-Button von Facebook geht, die Frage zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt, ob die Regelungen in Art. 22 bis 24 der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Richtlinie) einer nationalen Regelung entgegenstehen, die - wie § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG - gemeinnützigen Verbänden zur Wahrung der Interessen der Verbraucher die Befugnis einräumt, im Falle einer Verletzung von Daten­schutz­vor­schriften gegen den Verletzer vorzugehen. Diese Frage ist auch im vorliegenden Rechtsstreit entschei­dungs­er­heblich und nicht zweifelsfrei zu beantworten. Möglicherweise lässt die Datenschutz-Richtlinie eine Verfolgung von Verstößen allein durch die Daten­schutz­be­hörden und die Betroffenen und nicht durch Verbände zu.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 13 Abs. 1 Satz 1 TMG

Der Diensteanbieter hat den Nutzer zu Beginn des Nutzungs­vorgangs über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung perso­nen­be­zogener Daten sowie über die Verarbeitung seiner Daten in Staaten außerhalb des Anwen­dungs­be­reichs der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG Nr. L 281 S. 31) in allgemein verständlicher Form zu unterrichten, sofern eine solche Unterrichtung nicht bereits erfolgt ist.

§ 4 a Abs. 1 Satz 1 und 2 BDSG a.F.

Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Er ist auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen.

§ 3 Abs. 1 UWG

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

§ 3 a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Markt­teil­nehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wieder­ho­lungs­gefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG

Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu: qualifizierten Einrichtungen, die nachweisen, dass sie in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unter­las­sungs­kla­gen­ge­setzes oder in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unter­las­sungs­klagen zum Schutz der Verbrau­che­r­in­teressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) eingetragen sind.

§ 148 Abs. 1 ZPO

Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts­ver­hält­nisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwal­tungs­behörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwal­tungs­behörde auszusetzen sei.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online (pm)

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