21.11.2024
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Dokument-Nr. 25806

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Bundesgerichtshof Urteil19.04.2018

Angebot des Werbeblockers AdBlock Plus verstößt nicht gegen unlauteren WettbewerbAngebot des Werbeblockers stellt keine gezielte Behinderung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb dar

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass das Angebot des Werbe­blocker­programms AdBlock Plus nicht gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstößt.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens, ein Verlag, stellt ihre redaktionellen Inhalte auch auf ihren Internetseiten zur Verfügung. Dieses Angebot finanziert sie durch Werbung, also mit dem Entgelt, das sie von anderen Unternehmen für die Veröf­fent­lichung von Werbung auf diesen Internetseiten erhält.

Compu­ter­programm unterdrückt Werbung auf Internetseiten

Die Beklagte vertreibt das Compu­ter­programm AdBlock Plus, mit dem Werbung auf Internetseiten unterdrückt werden kann. Werbung, die von den Filterregeln erfasst wird, die in einer sogenannten Blacklist enthalten sind, wird automatisch blockiert. Die Beklagte bietet Unternehmen die Möglichkeit, ihre Werbung von dieser Blockade durch Aufnahme in eine sogenannte Whitelist ausnehmen zu lassen. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Werbung die von der Beklagten gestellten Anforderungen an eine "akzeptable Werbung" erfüllt und die Unternehmen die Beklagte am Umsatz beteiligen. Bei kleineren und mittleren Unternehmen verlangt die Beklagte für die Ausnahme von der automatischen Blockade nach eigenen Angaben keine Umsatz­be­tei­ligung.

Klägerin verweist auf Wettbe­wer­bs­wid­rigkeit und verlangt Unterlassung des Angebots

Die Klägerin hält den Vertrieb des Werbeblockers durch die Beklagte für wettbewerbswidrig. Sie beantragte daher, die Beklagte und ihre Geschäftsführer zu verurteilen, es zu unterlassen, ein Compu­ter­programm anzubieten, das Werbeinhalte auf näher bezeichneten Webseiten unterdrückt. Hilfsweise beantragte sie das Verbot, ein solches Compu­ter­programm anzubieten, wenn und soweit Werbung nur nach von der Beklagten vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts der Klägerin nicht unterdrückt wird.

Unternehmen verfolgt in erster Linie Beförderung des eigenen Wettbewerbs

In erster Instanz hatte die Klage keinen Erfolg. Das Berufungs­gericht erließ das mit dem Hilfsantrag begehrte Verbot. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Bundes­ge­richtshof hat auf die Revision der Beklagten das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage auch hinsichtlich des Hilfsantrags abgewiesen. Das Angebot des Werbeblockers stellt keine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG dar. Eine Verdrän­gungs­absicht liegt nicht vor. Die Beklagte verfolgt in erster Linie die Beförderung ihres eigenen Wettbewerbs. Sie erzielt Einnahmen, indem sie gegen Entgelt die Möglichkeit der Freischaltung von Werbung durch die Aufnahme in die Whitelist eröffnet. Das Geschäftsmodell der Beklagten setzt demnach die Funkti­o­ns­fä­higkeit der Internetseiten der Klägerin voraus.

Programm unterläuft keine gegen Werbeblocker gerichteten Schutz­vor­keh­rungen des Inter­ne­t­an­gebots

Die Beklagte wirkt mit dem Angebot des Programms nicht unmittelbar auf die von der Klägerin angebotenen Dienst­leis­tungen ein. Der Einsatz des Programms liegt in der autonomen Entscheidung der Internetnutzer. Die mittelbare Beein­träch­tigung des Angebots der Klägerin ist nicht unlauter. Das Programm unterläuft keine gegen Werbeblocker gerichteten Schutz­vor­keh­rungen des Inter­ne­t­an­gebots der Klägerin. Auch die Abwägung der Interessen der Betroffenen führt nicht zu dem Ergebnis, dass eine unlautere Behinderung der Klägerin vorliegt. Der Klägerin ist auch mit Blick auf das Grundrecht der Pressefreiheit zumutbar, den vom Einsatz des Programms ausgehenden Beein­träch­tigung zu begegnen, indem sie die ihr möglichen Abwehrmaßnahmen ergreift. Dazu gehört etwa das Aussperren von Nutzern, die nicht bereit sind, auf den Einsatz des Werbeblockers zu verzichten.

Es liegt auch keine allgemeine Markt­be­hin­derung vor, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Geschäftsmodell der Bereitstellung kostenloser Inhalte im Internet zerstört wird.

Angebot des Werbeblockers stellt keine aggressive geschäftliche Handlung dar

Das Angebot des Werbeblockers stellt auch - anders als das Berufungs­gericht angenommen hat - keine aggressive geschäftliche Handlung gemäß § 4 a UWG gegenüber Unternehmen dar, die an der Schaltung von Werbung auf den Internetseiten der Klägerin interessiert sind. Es fehlt an einer unzulässigen Beeinflussung dieser Marktteilnehmer, weil die Beklagte eine ihr durch das technische Mittel des Werbeblockers etwaig zukommende Machtposition jedenfalls nicht in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit der Marktteilnehmer zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4 Nr. 4 UWG

Unlauter handelt, wer Mitbewerber gezielt behindert.

§ 4 a UWG

(1) Unlauter handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berück­sich­tigung aller Umstände geeignet ist, die Entschei­dungs­freiheit des Verbrauchers oder sonstigen Markt­teil­nehmers erheblich zu beein­träch­tigten durch

1. Belästigung,

2. Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt,

3. unzulässige Beeinflussung.

Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Markt­teil­nehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich beeinträchtigt.

(2) Bei der Feststellung, ob eine geschäftliche Handlung aggressiv im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 ist, ist abzustellen auf

1.Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der Handlung;

2.die Verwendung drohender oder beleidigender Formulierungen oder Verhal­tens­weisen;

3.die bewusste Ausnutzung von konkreten Unglücks­si­tua­tionen oder Umständen von solcher Schwere, dass sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers oder sonstigen Markt­teil­nehmers beeinträchtigen, um dessen Entscheidung zu beeinflussen;

4.belastende oder unver­hält­nis­mäßige Hindernisse nicht­ver­trag­licher Art, mit denen der Unternehmer den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einer anderen Ware oder Dienstleistung oder einem anderen Unternehmer zu wechseln [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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