18.10.2024
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Oberlandesgericht Köln Urteil24.06.2016

Axel Springer AG erringt Teilerfolg gegen Adblock PlusWerbewillige Unternehmen müssen sich freikaufen

Die Axel Springer AG konnte einen Teilerfolg im Streit um die Zulässigkeit des Internet Werbeblockers "Adblock Plus" gegen den Kölner Anbieter der Software, die Eyeo GmbH, erreichen. Das klageabweisende erstin­sta­nzliche Urteil wurde zu Gunsten der Klägerin teilweise abgeändert. Dies hat das Oberlan­des­gericht Köln entschieden.

Die Software kann von Internetnutzern kostenfrei heruntergeladen werden. Sie verhindert, dass bestimmte Werbeinhalte auf Internetseiten angezeigt werden. Mit Hilfe von Filterregeln werden Serverpfade und Dateimerkmale von Werbeanbietern identifiziert und geblockt („Blacklist“). Daneben besteht die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von den Filtern in eine sog. „Whitelist“ aufnehmen zu lassen. Standardmäßig ist das Programm so konfiguriert, dass es „einige nicht aufdringliche Werbung“ zulässt und beim Nutzer anzeigt. Von den Unternehmen auf der „Whitelist“ erhält die Beklagte - von größeren Websei­ten­be­treibern und Werbe­netz­werkan­bietern - eine Umsatz­be­tei­ligung.

Interesse an Werbe­auf­recht­er­haltung durch Einnahmen mittels Whitelisting-Verträgen

Die Klägerin hält das Programm für eine unlautere Behinderung des Wettbewerbs. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte ihr Geschäftsmodell durch die Ausschaltung der Werbung gezielt und mit Schädi­gungs­absicht behindere. Durch den Werbeblocker würden der Inhalt der Website und die Werbung voneinander getrennt, was mit dem Abreißen von Plakatwerbung vergleichbar sei. Die Werbung sichere aber die Finanzierung des Medienangebotes, was den Nutzern bekannt sei und von diesen stillschweigend gebilligt werde. Da die Beklagte durch den Abschluss von Whitelisting-Verträgen Einkommen erziele, habe sie ein Interesse an der Aufrecht­er­haltung von Werbung.

Bezahlmodel des "Whitelisting" wettbe­wer­bs­widrig

Das Gericht ist der Argumentation der Klägerin teilweise gefolgt. Er hält die Blockade der Werbung als solche nicht für wettbewerbswidrig, wohl aber das von der Beklagten gewählte Bezahlmodell des „Whitelisting“: Die Software sei unzulässig, wenn und soweit die Werbung nur nach vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts nicht unterdrückt wird („Whitelist“).

Keine Schädi­gungs­absicht erkennbar

Die Ausschaltung der Werbung an sich stelle keine gezielte Behinderung des Wettbewerbs dar. Die Parteien seien zwar Mitbewerber, weil sie sich in einem Wettbewerb um Zahlungen werbewilliger Unternehmer befänden. Eine Schädi­gungs­absicht der Beklagten könne nicht vermutet werden. Anders als beim Abreißen von Plakaten werde nicht physisch auf das Produkt des Anbieters eingewirkt. Vielmehr würden der redaktionelle Inhalt der Website und die Werbung mit getrennten Datenströmen angeliefert, die als solche unverändert blieben. Es werde lediglich im Empfangsbereich des Nutzers dafür gesorgt, dass die Datenpakete mit Werbung auf dem Rechner des Nutzers gar nicht erst angezeigt werden. Es gebe aber keinen Anspruch, dass ein Angebot nur so genutzt wird, wie es aus Sicht des Absenders wahrgenommen werden soll. Auch die Pressefreiheit gebe nicht die Befugnis, dem Nutzer unerwünschte Werbung aufzudrängen.

Machtposition durch "Backlist" und "Whitelist"

Die „Whitelist“-Funktion ist nach Auffassung des Senats dagegen eine unzulässige aggressive Praktik im Sinne von § 4 a Abs. 1 S. 1 UWG. Die Beklagte befinde sich aufgrund der Black­list­funktion in einer Machtposition, die nur durch das von ihr kontrollierte „Whitelisting“ wieder zu beseitigen sei. Mit dieser technisch wirkenden Schranke hindere die Beklagte die Klägerin, ihre vertraglichen Rechte gegenüber den Werbepartnern auszuüben. Das Programm wirke nicht nur gegenüber den Inhal­tean­bietern wie der Klägerin, sondern auch gegenüber deren Werbekunden. Als „Gatekeeper“ habe die Beklagte durch die Kombination aus „Blacklist“ und „Whitelist“ eine so starke Kontrolle über den Zugang zu Werbe­fi­nan­zie­rungs­mög­lich­keiten, dass werbewillige Unternehmen in eine Blocka­de­si­tuation gerieten, aus der diese sich sodann freikaufen müssten. Dass das Programm im Ergebnis einem Wunsch vieler Nutzer nach werbefreiem Surfen im Internet entgegen komme, ändere daran nichts. Im Ergebnis würde die Entschei­dungs­freiheit werbewilliger Unternehmen erheblich beeinträchtigt. Jedenfalls größere Websei­ten­be­treiber und Werbevermittler würden zu Zahlungen herangezogen. Dass die Machtposition erheblich sei, zeige das Beispiel von großen amerika-nischen Inter­net­kon­zernen, die nach unstreitigem Vortrag der Parteien beträchtliche Zahlungen für ein „Whitelisting“ leisten.

Vertreiben des Programms in Deutschland verboten

Nach dem Inhalt des Urteils darf die Beklagte das Programm in Deutschland nicht mehr vertreiben oder bereits ausgelieferte Versionen pflegen, soweit bestimmte Webseiten der Klägerin betroffen sind. Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zum Bundes­ge­richtshof zugelassen, weil es um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung geht. Die Klägerin kann das Urteil bis zur Rechtskraft nur gegen Sicher­heits­leistung eines erheblichen Betrages vorläufig vollstrecken.

Quelle: Oberlandesgericht Köln/ ra-online

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