21.11.2024
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Dokument-Nr. 19238

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Urteil27.11.2014BundesgerichtshofI ZR 124/11
Vorinstanzen:
  • Landgericht München I, Urteil14.10.2009, 21 O 22196/08
  • Oberlandesgericht München, Urteil09.06.2011, 6 U 5037/09
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil27.11.2014

Bundes­ge­richtshof zu Schutzmaßnahmen für Nintendo-VideospieleOLG München muss Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit und mögliche übermäßige Beschränkung legaler Nutzungs­möglich­keiten durch Verbot von Adaptern neu prüfen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen technische Maßnahmen zum Schutz urheber­rechtlich geschützter Videospiele ihrerseits Schutz genießen.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls produziert und vertreibt Videospiele und Videospiel-Konsolen, darunter die Konsole "Nintendo DS" und zahlreiche dafür passende Spiele. Sie ist Inhaberin der urheber­recht­lichen Schutzrechte an den Compu­ter­pro­grammen, Sprach-, Musik-, Lichtbild- und Filmwerken, die Bestandteil der Videospiele sind. Die Videospiele werden ausschließlich auf besonderen, nur für die Nintendo-DS-Konsole passenden Speicherkarten angeboten, die in den Kartenschacht der Konsole eingesteckt werden.

Beklagte bietet im Internet Adapter für die Nintendo-DS-Konsole an

Die frühere Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2 und 3 waren und über deren Vermögen im Laufe des Revisi­ons­ver­fahrens das Insol­venz­ver­fahren eröffnet und der jetzige Beklagte zu 1 zum Insol­venz­ver­walter bestellt worden ist, bot im Internet Adapter für die Nintendo-DS-Konsole an. Diese Adapter sind den originalen Speicherkarten in Form und Größe genau nachgebildet, damit sie in den Kartenschacht der Konsole passen. Sie verfügen über einen Einschub für eine Micro-SD-Karte oder über einen eingebauten Speicher­baustein ("Flash-Speicher"). Nutzer der Konsole können mit Hilfe dieser Adapter im Internet angebotene Raubkopien der Spiele auf der Konsole verwenden. Dazu laden sie solche Kopien der Spiele aus dem Internet herunter und übertragen diese sodann entweder auf eine Micro-SD-Karte, die anschließend in den Adapter eingesteckt wird, oder unmittelbar auf den eingebauten Speicher­baustein des Adapters.

Klägerin rügt Verstoß gegen das Urheber­schutz­gesetz

Die Klägerin sieht in dem Vertrieb der Adapter einen Verstoß gegen § 95 a Abs. 3 UrhG. Diese Bestimmung regelt den Schutz wirksamer technischer Maßnahmen, die ihrerseits dem Schutz urheber­rechtlich geschützter Werke dienen. Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen.

Vertriebene Adapterkarten wurden hauptsächlich zur Umgehung der Schutz­vor­richtung von Nintendo hergestellt

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil weitgehend aufgehoben und die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Nach § 95 a Abs. 3 Nr. 3 UrhG ist (unter anderem) der Verkauf von Vorrichtungen verboten, die hauptsächlich hergestellt werden, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen. Diese Vorschrift schützt - so der Bundes­ge­richtshof - auch technische Maßnahmen zum Schutz für Videospiele. Bei der konkreten Ausgestaltung der von der Klägerin hergestellten Karten und Konsolen handelt es sich um eine solche Schutzmaßnahme. Dadurch, dass Karten und Konsolen in ihren Abmessungen so aufeinander abgestimmt sind, dass ausschließlich Nintendo-DS-Karten in die Nintendo-DS-Konsolen passen, wird verhindert, dass Raubkopien von Videospielen der Klägerin auf den Konsolen abgespielt und damit unbefugt vervielfältigt werden können. Die von der Beklagten zu 1 vertriebenen Adapterkarten sind auch hauptsächlich zur Umgehung dieser Schutz­vor­richtung hergestellt worden. Die Möglichkeit des Abspielens von Raubkopien bildet den maßgeblichen wirtschaft­lichen Anreiz zum Kauf der Adapter; die legalen Einsatz­mög­lich­keiten der Adapter treten demgegenüber eindeutig in den Hintergrund.

Berufungs­gericht muss mögliche Wahrung des Grundsatzes der Verhält­nis­mä­ßigkeit durch Einsatz technischer Schutzmaßnahmen erneut prüfen

Das Berufungs­gericht hat allerdings nicht geprüft, ob der Einsatz der technischen Schutzmaßnahme den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit wahrt und legale Nutzungs­mög­lich­keiten nicht in übermäßiger Weise beschränkt werden. Die vom Berufungs­gericht bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigen nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs auch nicht die Annahme, dass der jetzige Beklagte zu 1 als Insol­venz­ver­walter und die Beklagten zu 2 und 3 als Geschäftsführer wegen des rechtswidrigen Vertriebs der Adapterkarten durch die frühere Beklagte zu 1 auf Unterlassung haften. Auch der von der Klägerin erhobene Schaden­s­er­satz­an­spruch konnte auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungs­ge­richts nicht bejaht werden. Der Bundes­ge­richtshof hat die Sache daher insoweit an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, das die erforderlichen Feststellungen nachzuholen hat.

§ 95 a UrhG

(1) Wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach diesem Gesetz geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutz­ge­gen­standes dürfen ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht umgangen werden, soweit dem Handelnden bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass die Umgehung erfolgt, um den Zugang zu einem solchen Werk oder Schutz­ge­genstand oder deren Nutzung zu ermöglichen.

(2) Technische Maßnahmen im Sinne dieses Gesetzes sind Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutz­ge­gen­stände betreffende Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken. Technische Maßnahmen sind wirksam, soweit durch sie die Nutzung eines geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutz­ge­gen­standes von dem Rechtsinhaber durch eine Zugangs­kon­trolle, einen Schutz­me­cha­nismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Verviel­fäl­tigung, die die Erreichung des Schutzziels sicherstellen, unter Kontrolle gehalten wird.

(3) Verboten sind die Herstellung, die Einfuhr, die Verbreitung, der Verkauf, die Vermietung, die Werbung im Hinblick auf Verkauf oder Vermietung und der gewerblichen Zwecken dienende Besitz von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen sowie die Erbringung von Dienst­leis­tungen, die

1. Gegenstand einer Verkaufs­för­derung, Werbung oder Vermarktung mit dem Ziel der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen sind oder

2. abgesehen von der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen nur einen begrenzten wirtschaft­lichen Zweck oder Nutzen haben oder

3. hauptsächlich entworfen, hergestellt, angepasst oder erbracht werden, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen oder zu erleichtern.

[...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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