23.11.2024
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Dokument-Nr. 17556

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil23.01.2014

Umgehung des Schutzsystems für Nintendo-Video­spiel­konsolen zur Installation unabhängiger Hersteller-Software kann zulässig seinMaßnahmen zur Umgehung des Schutzsystems dürfen jedoch nicht auf Anwendung illegaler Kopien von Videospiele abzielen

Die Umgehung des Schutzsystems für eine Video­spiel­konsole kann unter bestimmten Umständen rechtmäßig sein. Der Hersteller der Konsole ist gegen Umgehungs­hand­lungen nur geschützt, wenn die Schutzmaßnahmen darauf abzielen, die Benutzung nachgeahmter Videospiele zu verhindern. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.

Nintendo vertreibt zwei Arten von Systemen für Videospiele: die tragbaren „DS“-Konsolen und die stationären „Wii“-Konsolen. In die Konsolen baut sie ein Erken­nungs­system ein und installiert auf dem Träger des Videospiels einen verschlüsselten Code, wodurch die Verwendung illegaler Kopien von Videospielen verhindert wird. Diese technischen Schutzmaßnahmen verhindern den Start von nicht mit dem Code versehenen Spielen auf einem Nintendo-Gerät sowie die Verwendung von nicht von Nintendo stammenden Programmen, Spielen und generell Multimedia-Inhalten auf den Konsolen.

Geräte von PC Box ermöglichen Umgehung und Deaktivierung des Konso­len­schutzes

PC Box vertreibt Original-Nintendo-Konsolen mit zusätzlicher Software, die aus Anwendungen unabhängiger Hersteller („homebrews“) besteht, zu deren Verwendung auf den Spielkonsolen Geräte von PC Box installiert werden müssen, durch die die technischen Maßnahmen zum Schutz der Konsolen umgangen und deaktiviert werden.

Nintendo beabsichtigt nach Auffassung von PC Box, Verwendung unabhängiger Software zu verhindern

Nintendo vertritt die Auffassung, die Geräte von PC Box bezweckten in erster Linie, die technischen Maßnahmen zum Schutz ihrer Spiele zu umgehen. Nach Ansicht von PC Box geht es hingegen Nintendo darum, die Verwendung unabhängiger Software zu verhindern, die keine illegale Kopie von Videospielen sei, sondern es ermöglichen solle, Filme, Videos und MP3-Dateien auf den Konsolen abzuspielen.

Nationales Gericht erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH zum Urheberrecht

Das mit dem Rechtsstreit befasste Tribunale di Milano ersucht den Gerichtshof um Klärung des Umfangs des Rechtsschutzes, den Nintendo nach der Richtlinie über die Harmonisierung des Urheberrechts* beanspruchen kann, um die Umgehung der getroffenen technischen Maßnahmen zu bekämpfen.

Original-Compu­ter­pro­gramme sind wegen geistiger Schöpfung des Urhebers durch Urheberrecht nach der Richtlinie geschützt

In seinem weist der Gerichtshof darauf hin, dass es sich bei Videospielen um komplexe Gegenstände handelt, die nicht nur Compu­ter­pro­gramme, sondern auch grafische und klangliche Bestandteile umfassen, die, auch wenn sie in einer Computersprache kodiert sind, eigenen schöpferischen Wert besitzen. Als eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers sind die Original-Compu­ter­pro­gramme durch das Urheberrecht nach der Richtlinie geschützt.

Mitgliedstaaten gegen Umgehung wirksamer „technischer Maßnahmen“ angemessenen Rechtsschutz sicherstellen

Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, einen angemessenen Rechtsschutz gegen die Umgehung wirksamer „technischer Maßnahmen“ vorzusehen, um nicht genehmigte Handlungen in Form von Verviel­fäl­ti­gungen, der öffentlichen Wiedergabe oder Zugäng­lich­machung von Werken oder der Verbreitung von Werken zu verhindern oder einzuschränken. Sie schützt den Inhaber des Urheberrechts nur gegen Handlungen, für die seine Genehmigung erforderlich ist.

Begriff „wirksame technische Maßnahmen“ ist weit auszulegen

Nach den Ausführungen des Gerichtshofs ist der Begriff „wirksame technische Maßnahmen“ im Einklang mit dem Hauptzweck der Richtlinie (Einführung eines hohen Schutzniveaus zugunsten der Urheber) weit auszulegen und schließt eine Zugangs­kon­trolle oder einen Schutz­me­cha­nismus (Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung des Werks) ein. Daher fallen die technischen Maßnahmen, die sowohl in die physischen Träger der Videospiele als auch in die Konsolen integriert sind und eine Interaktion untereinander erfordern, unter den Begriff der „wirksamen technischen Maßnahmen“ im Sinne der Richtlinie, wenn sie bezwecken, Handlungen zu verhindern oder zu beschränken, die die Rechte des Betroffenen verletzen.

Rechtsschutz gilt nur für technische Maßnahmen zur Verhinderung von Verviel­fäl­ti­gungen u.ä.

Weiter stellt der Gerichtshof fest, dass der Rechtsschutz nur für technische Maßnahmen gilt, die diejenigen nicht genehmigten Handlungen der Verviel­fäl­tigung, öffentlichen Wiedergabe oder Zugäng­lich­machung von Werken oder Verbreitung von Werken verhindern oder unterbinden sollen, für die die Genehmigung des Inhabers eines Urheberrechts erforderlich ist. Dieser Rechtsschutz muss den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit wahren und darf keine Vorrichtungen oder Handlungen untersagen, die einen anderen wirtschaft­lichen Zweck oder Nutzen haben als die Umgehung der technischen Schutz­vor­keh­rungen zu rechtswidrigen Zwecken.

Zweck der Umgehung von Schutzmaßnahmen muss genau geprüft werden

Der Umfang des Rechtsschutzes für technische Maßnahmen ist nicht nach dem Verwen­dungszweck zu beurteilen, der den Spielkonsolen vom Inhaber der Urheberrechte zugeschrieben worden ist; vielmehr sollte der Zweck der zur Umgehung der Schutzmaßnahmen vorgesehenen Vorrichtungen je nach den gegebenen Umständen unter Berück­sich­tigung der Art und Weise, wie Dritte die Konsolen tatsächlich verwenden, geprüft werden.

Nationales Gericht muss Verwen­dungsgrund der Geräte von PC Box auf Verstöße gegen das Urheberrecht prüfen

Der Gerichtshof legt daher dem vorlegenden Gericht nahe, zu prüfen, ob andere wirksame Schutzmaßnahmen zu geringeren Beein­träch­ti­gungen oder Beschränkungen der Handlungen Dritter führen könnten, dabei aber einen vergleichbaren Schutz für die Rechte des Betroffenen bieten könnten. Dazu sollte das vorlegende Gericht die Kosten der verschiedenen Arten technischer Maßnahmen, die technischen und praktischen Aspekte ihrer Durchführung und einen Vergleich ihrer jeweiligen Wirksamkeit in Bezug auf den Schutz der Rechte des Betroffenen berücksichtigen, wobei diese Wirksamkeit nicht absolut sein muss. Das vorlegende Gericht kann auch prüfen, ob die Geräte von PC Box häufig zum Abspielen nicht genehmigter Kopien von Nintendo-Spielen auf Nintendo-Konsolen benutzt werden oder ob sie vielmehr zu Zwecken verwendet werden, die das Urheberrecht nicht verletzen.

Erläuterungen

* Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Infor­ma­ti­o­ns­ge­sell­schaft (ABl. L 167, S. 10).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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