Bundesgerichtshof Beschluss20.06.2018
BGH: Anonymisierte Strafurteile an Private nur bei berechtigtem Interesse und nicht entgegenstehendem schutzwürdigem Interesse des BetroffenenAnspruchsgrundlage ist § 475 StPO
Privatpersonen haben nur dann einen Anspruch auf Herausgabe anonymisierter Strafrechtsurteile nach § 475 StPO, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegen und wenn dem Anspruch keine schutzwürdigen Interessen von Betroffenen entgegenstehen. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall wollte eine Privatperson eine anonymisierte Fassung eines Strafurteils vom Landgericht Kiel. Die Staatsanwaltschaft Kiel lehnte den Antrag des Bürgers ab. Da der Bürger weiterhin seinen Anspruch geltend machte, musste schließlich der Bundesgerichtshof eine Entscheidung treffen.
Anspruch auf Überlassung von anonymisierten Strafurteilen
Der Bundesgerichtshof führte zum Fall aus, dass eine Privatperson nur nach § 475 StPO einen Anspruch auf Überlassung anonymisierter strafgerichtlicher Urteile zu stehen könne. Danach können Auskünfte aus Akten an nichtverfahrensbeteiligten Privatpersonen nach pflichtgemäßem Ermessen erteilt werden, sofern dafür ein berechtigtes Interesse darlegt wird und keine schutzwürdigen Interessen der Betroffenen der Auskunft entgegenstehen. Aus der Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen lasse sich für private Dritte kein neben § 475 StPO tretender voraussetzungsloser Anspruch auf Herausgabe einer anonymisierten Urteilsabschrift herleiten.
Kein Vergleich mit Medienvertretern
Zwar sei eine Überlassung von Urteilen an Medienvertreter unter wenigen strengen Voraussetzungen möglich, so der Bundesgerichtshof. Dies habe seine Rechtfertigung aber darin, dass den Medienvertretern eine besondere Verantwortung im Umgang mit den erhaltenen Informationen obliegt. Die ihnen zukommenden Sorgfaltspflichten können nicht generell zum Maßstab für das Zugänglichmachen gerichtlicher Entscheidungen gemacht werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.10.2019
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)