23.11.2024
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Dokument-Nr. 18413

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Beschluss06.05.2014Bundesgerichtshof4 StR 503/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-Spezial 2014, 472 (Klaus Leipold und Stephan Beukelmann)Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2014, Seite: 472, Entscheidungsbesprechung von Klaus Leipold und Stephan Beukelmann
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Vorinstanz:
  • Landgericht Bochum, Urteil30.05.2013, II-8 KLs-36 Js 115/11-38/12
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss06.05.2014

BGH zur Obhutsbeziehung im Lehrer-Schüler-Verhältnis außerhalb des verbindlichen Regel­un­ter­richtsRevision eines Lehrers gegen Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutz­be­fohlenen verworfen

Die für den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Schutz­be­fohlenen erforderliche Obhutsbeziehung im Lehrer-Schüler-Verhältnis ist nicht nur auf die Erteilung von verbindlichem Regelunterricht durch den Klassen- oder Fachlehrer beschränkt, sondern kann im Rahmen einer nicht zum regulären Unterricht zählenden schulischen Veranstaltung in Form einer Arbeits­ge­mein­schaft mit freiwilliger Teilnahme vorliegen. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden und damit die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Im hier zu entscheidenden Fall hatte das Landgericht Bochum den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutz­be­fohlenen in zwölf Fällen zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von zwei Jahren verurteilt, und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Dieses Urteil hatte der Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen, da die Feststellungen die Annahme des für die Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Obhuts­ver­hält­nisses im Sinne eines Anvertrautseins zur Erziehung, Ausbildung oder Betreuung zwischen dem als Lehrer an einer Realschule tätigen Angeklagten und der Nebenklägerin - Schülerin an dieser Schule - nicht trugen. Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr erneut wegen sexuellen Missbrauchs von Schutz­be­fohlenen in zwölf Fällen verurteilt und gegen ihn eine zur Bewährung ausgesetzte Gesamt­frei­heits­strafe von einem Jahr und sieben Monaten verhängt.

Angeklagter leitete im Tatzeitraum einen Schul­sa­ni­täts­dienst

Nach den vom Landgericht nunmehr getroffenen Feststellungen leitete der Angeklagte im Tatzeitraum den von ihm im Einvernehmen mit der Schulleitung ins Leben gerufenen Schul­sa­ni­täts­dienst als schulische Arbeits­ge­mein­schaft außerhalb des verpflichtenden Regel­un­ter­richts und führte auch die Erste-Hilfe-Kurse durch, die die an der Tätigkeit als Schulsanitäter interessierten Schülerinnen und Schüler zuvor absolvieren mussten. Neben der organi­sa­to­rischen Leitung des Schul­sa­ni­täts­dienstes oblag dem Angeklagten auch die Betreuung der an den Schultagen eingesetzten Schulsanitäter, die u. a. seine Ratschläge und Anweisungen in Notfällen einholten und mit denen er durchgeführte Einsätze besprach. Zwischen dem Angeklagten und der 14 bzw. 15 Jahre alten Nebenklägerin, die regelmäßig als Schul­sa­ni­täterin tätig war und mehrfach Erste-Hilfe-Kurse unter dessen Leitung besucht hatte, der der Angeklagte aber keinen Regelunterricht erteilte, entwickelte sich im Jahr 2010 eine enge persönliche Beziehung, in deren Verlauf es von Oktober 2010 bis März 2011 in zwölf Fällen zu einver­nehm­lichen sexuellen Handlungen kam.

Alle bedeutsamen Umstände für Annahme eines Obhuts­ver­hält­nisses in rechtliche Bewertung einbezogen

Der Strafsenat hat die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen. Die für den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Schutz­be­fohlenen erforderliche Obhutsbeziehung im Lehrer-Schüler-Verhältnis ist nicht auf die Erteilung von verbindlichem Regelunterricht durch den Klassen- oder Fachlehrer beschränkt, sondern kann auch im Rahmen einer nicht zum regulären Unterricht zählenden schulischen Veranstaltung in Form einer Arbeits­ge­mein­schaft mit freiwilliger Teilnahme vorliegen. Der Tatrichter hat insoweit alle für die Annahme eines solchen Obhuts­ver­hält­nisses bedeutsamen Umstände in seine rechtliche Bewertung einzubeziehen und sich dabei am Schutzzweck der Vorschrift zu orientieren, wonach Minderjährige, also regelmäßig noch nicht ausgereifte Menschen, vor sexuellen Übergriffen durch Autori­täts­personen bewahrt werden sollen. Gemessen daran war die Nebenklägerin dem Angeklagten im Tatzeitraum im Sinne von § 174 Abs. 1 Satz 1 StGB anvertraut. Der von ihm verantwortlich geleitete Schul­sa­ni­täts­dienst stand im Dienst des Bildungs- und Erzie­hungs­auftrags der Schule, der nicht nur die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten beinhaltete, sondern auch die Aufgabe umfasste, den Schülerinnen und Schülern Werthaltungen nahezubringen und ihre Bereitschaft zu sozialem und verant­wor­tungs­be­wusstem Handeln zu wecken. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegen, dass die Nebenklägerin im Tatzeitraum nicht nur eng in den Schul­sa­ni­täts­dienst eingebunden war, sondern den Angeklagten, dessen Hilfestellung sie in schwierigen Situationen häufig in Anspruch nahm, auch als Autori­täts­person anerkannte und sich dessen Ratschlägen und Weisungen unterordnete.

Quelle: Bundesgerichtshof/ ra-online

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