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Bundesfinanzhof Urteil17.11.2020

Steuerlicher Wertverlust von Aktien infolge der Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrensBundesfinanzhof zum Zeitpunkt einer steuerbaren Verlus­tent­stehung

Erlischt das Mitglied­schaftsrecht des Aktionärs einer inländischen Aktien­ge­sell­schaft (AG), weil diese infolge einer Insolvenz aufgelöst, abgewickelt und im Register gelöscht wird, entsteht dem Aktionär ein steuerbarer Verlust, wenn er seine Einlage ganz oder teilweise nicht zurückerhält. Werden solche Aktien schon vor der Löschung der AG im Register durch die depotführende Bank aus dem Depot des Aktionärs ausgebucht, entsteht der Verlust bereits im Zeitpunkt der Ausbuchung. Von einer Verlus­tent­stehung kann aber nicht bereits zu einem Zeitpunkt ausgegangen werden, zu dem mit einer Auskehrung von Vermögen im Rahmen der Schluss­ver­teilung des Vermögens der AG objektiv nicht mehr rechnen ist oder die Notierung der Aktien an der Börse eingestellt oder deren Börsenzulassung widerrufen wird. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Der Kläger und Revisionskläger hatte im Jahr 2009 Aktien an einer börsennotierten inländischen AG erworben, die in einem Depot verwahrt wurden. Der Kläger war an der AG zu weniger als 1 % beteiligt. Die Aktien waren Bestandteil seines steuerlichen Privatvermögens. Über das Vermögen der AG wurde im Jahr 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Aktien wurden zum 31.12.2013 im Depot des Klägers noch mit einem Stückpreis ausgewiesen. Er wollte im Rahmen der Einkom­men­steu­er­fest­setzung für das Streitjahr 2013 einen Totalverlust aus dem Investment mit Aktien­ver­äu­ße­rungs­ge­winnen verrechnen, die er im Streitjahr 2013 erzielt hatte. Das Finanzamt und das Finanzgericht lehnten die begehrte Verrechnung ab.

Steuerbarer Verlust erst bei endgültigem Rechtsverlust

Der BFH stimmte dem im Ergebnis zu und wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Er entschied, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG und § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung enthielten eine planwidrige Lücke, da das Gesetz weder für den Fall des rechtlichen Untergangs inländischer Aktien aufgrund einer insol­venz­be­dingten Löschung noch für deren Ausbuchung aus dem Depot durch die depotführende Bank einen Reali­sa­ti­o­ns­tat­bestand vorsehe. Auf diese Vorgänge sei der Veräu­ße­rung­s­tat­bestand gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG entsprechend anzuwenden. Ein steuerbarer Verlust entstehe für den Aktionär aber erst, wenn er aufgrund des rechtlichen Untergangs seines Mitglied­s­chafts­rechts oder der Ausbuchung der Aktien aus dem Depot einen endgültigen Rechtsverlust erleide. Im Streitjahr 2013 habe der Kläger zwar einen Wertverlust hinnehmen müssen. Dieser habe aber weder den Bestand seines Mitglied­s­chafts­rechts berührt noch seien die Aktien aus dem Depot des Klägers ausgebucht worden.

Keine Anwendung des Veräu­ße­rung­s­tat­be­stands seit 2020

Die Entscheidung hat Bedeutung für Aktien, die nach dem 31.12.2008 erworben worden sind und bei denen der Untergang des Mitglied­s­chafts­rechts oder die Depotausbuchung in den Veran­la­gungs­zeit­räumen von 2009 bis einschließlich 2019 stattfindet. Für Veran­la­gungs­zeit­räumen ab 2020 hat der Gesetzgeber in § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG geregelt, dass Verluste aufgrund einer Ausbuchung wertloser Aktien und eines sonstigen Ausfalls von Aktien steuerbar sind und einer eigenständigen Verlust­ver­rech­nungs­be­schränkung unterliegen. Da die vorherige gesetzliche Lücke geschlossen wurde, bedarf es einer entsprechenden Anwendung des Veräu­ße­rung­s­tat­be­stands aufgrund des rechtlichen Untergangs des Mitglied­s­chafts­rechts und bei einer Depotausbuchung ab dem Veran­la­gungs­zeitraum 2020 nicht mehr.

Quelle: Bundesfinanzhof, ra-online (pm/aw)

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