22.11.2024
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Bundesfinanzhof Beschluss30.06.2011

BFH legt EuGH Frage zum Reverse-Charge-Verfahren bei Bauleistungen vorBetrifft Ermächtigung des Rates zum Reverse-Charge-Verfahren bei Erbringung von Bauleistungen an Steuer­pflichtigen nur Baudienst­leis­tungen oder auch (Werk-)Lieferungen?

Der Bundesfinanzhof dem Gerichtshof der Europäischen Union Zweifelsfragen zur Vereinbarkeit der Regelung zum so genannten Reverse-Charge-Verfahren vorgelegt.

Während im Regelfall der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer abzuführen hat, schuldet für Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwa­chungs­leis­tungen, der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer, wenn er selbst ebenfalls solche Leistungen erbringt.

BFH hat Zweifel, ob Ermächtigung des Reverse-Charge-Verfahren nur Baudienst­leis­tungen betrifft

Die Regelung beruht auf der Ermächtigung des Rates vom 30. März 2004 (2004/290/EG) zum Reverse-Charge-Verfahren "bei der Erbringung von Bauleistungen an einen Steuer­pflichtigen". Unions­rechtliche Zweifel bestehen, ob diese Ermächtigung nur Baudienst­leis­tungen (sonstige Leistungen), nicht dagegen (Werk-)Lieferungen betrifft. Denn nach der maßgeblichen Richtlinie (77/388/EWG) können die Mitgliedstaaten "als Lieferungen [...] die Erbringung bestimmter Bauleistungen betrachten." Dies könnte darauf hindeuten, dass unter Bauleistungen nur (Bau-)Dienst­leis­tungen zu verstehen sind. Falls die Ermächtigung sich auch auf Lieferungen erstreckt, ist weiter zu klären, ob der Mitgliedstaat von der Ermächtigung abweichen und Untergruppen bilden kann. Denn während der Rat die Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens erlaubt, wenn der Leistungs­emp­fänger "Steuer­pflichtiger" (d.h. Unternehmer) ist, tritt nach dem deutschen Umsatz­steu­er­gesetz die Umkehr der Steuerschuld nur ein, wenn der Leistungs­emp­fänger ein Unternehmer ist, der selbst Bauleistungen erbringt. Dies war Anlass für das vorliegende Verfahren; denn die Finanz­ver­waltung geht insoweit davon aus, dass der Leistungs­emp­fänger beim Bezug einer Bauleistung nur dann Steuerschuldner ist, wenn zumindest 10 % seines "Weltumsatzes" im Vorjahr aus derartigen Bauleistungen besteht. Ob die Klägerin die "10 % Grenze" überschritten hat, war Ausgangspunkt des Rechtsstreits.

Auch in neuer Richtlinie können Mitgliedstaaten "die Erbringung bestimmter Bauleistungen" als Lieferungen betrachten

Die Entscheidung hat nicht nur für die Vergangenheit Bedeutung. Die Ermächtigung wurde zwar mit Wirkung zum 1. Januar 2008 durch eine Regelung zur Umkehr der Steuer­schuld­ner­schaft in der Richtlinie selbst ersetzt (inzwischen Art. 199 der Richtlinie 2006/112/EG). Auch diese Regelung verwendet den Begriff "Bauleistungen" und nimmt ausdrücklich auf Art. 5 Satz 5 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112/EG) Bezug, wonach die Mitgliedstaaten "die Erbringung bestimmter Bauleistungen" als Lieferungen betrachten können.

Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online

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