21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen das Schild des Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
ergänzende Informationen

Bundesfinanzhof Urteil22.08.2012

Mindest­be­steuerung ist nicht verfas­sungs­widrigKernbereich des Verlu­s­t­aus­gleichs durch zeitliche Streckung des Verlustvortrags nicht beeinträchtigt

Die so genannte Mindest­be­steuerung gemäß § 10 d Abs. 2 des Einkom­men­steu­er­ge­setzes (EStG) ist "in ihrer Grundkonzeption" nicht verfas­sungs­widrig. Dies hat der Bundesfinanzhof entschieden.

Die Einkommen- und Körperschaftsteuer soll die wirtschaftliche Leistungs­fä­higkeit eines Steuersubjekts abschöpfen. Ihre Bemes­sungs­grundlage ist deshalb das "Nettoeinkommen" nach Abzug der Erwer­b­s­auf­wen­dungen. Fallen die Aufwendungen nicht in demjenigen Kalenderjahr an, in dem die Einnahmen erzielt werden, oder übersteigen sie die Einnahmen, so dass ein Verlust erwirtschaftet wird, ermöglicht es das Gesetz, den Verlustausgleich auch über die zeitlichen Grenzen eines Bemes­sungs­zeitraums hinweg vorzunehmen (so genannter überpe­ri­odischer Verlustabzug). Seit 2004 ist dieser Verlustabzug begrenzt: 40 % der positiven Einkünfte oberhalb eines Schwel­len­betrags von 1 Mio. Euro werden auch dann der Ertrags­be­steuerung unterworfen, wenn bisher noch nicht ausgeglichene Verluste vorliegen (so genannte Mindest­be­steuerung). Damit wird die Wirkung des Verlustabzugs in die Zukunft verschoben.

BFH zweifelt an Verfas­sungs­mä­ßigkeit der Regelung bei Fällen mit Defini­tiv­wirkung

Ob diese Regelung verfas­sungsgemäß ist, hatte der Bundesfinanzhof in einem 2010 entschiedenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für ernstlich zweifelhaft gehalten für Fälle, in denen eine so genannte Defini­tiv­wirkung im Raum stand, also der vom Gesetzgeber lediglich beabsichtigte zeitliche Aufschub der Verlust­ver­rechnung in einen endgültigen Ausschluss der Verlust­ver­rechnung hineinzuwachsen drohte (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss v. 26.08.2010 - I B 49/10 -). Beispiele: Im Folgejahr einer Mindestbesteuerung bei einer Kapital­ge­sell­schaft kommt es zu einer Anteils­über­tragung, die einen Ausgleich eines noch offenen Verlustvortrags endgültig ausschließt. Oder: Der Steuer­pflichtige verstirbt im Folgejahr, die Erben können den noch offenen Verlu­s­t­aus­gleich des Erblassers nicht nutzen.

Kapital­ge­sell­schaft kann ausgleichs­fähigen Verlust wegen Mindest­be­steuerung in Zukunft nicht mehr ausgleichen

Im Urteilsfall machte eine Kapital­ge­sell­schaft mit mehr als tausend Gesellschaftern, die die Verwaltung von Vermö­gens­anlagen betrieb, im Streitjahr 2004 geltend, dass sie den wegen der Mindest­be­steuerung nicht ausgleich­fähigen Verlust in der Zukunft nicht mehr würde ausgleichen können. Denn sie werde in den nächsten 20 Jahren bis zu ihrer dann geplanten Liquidation infolge der sachlichen Steuerbefreiung von Dividen­de­n­er­trägen kein ausgleichs­fähiges Einkommen erzielen, so dass die Verluste bei ihr zwangsläufig definitiv würden. Überdies sei die Mindest­be­steuerung infolge des durch den aufgeschobenen Verlu­s­t­aus­gleich entstehenden Zinsschadens verfassungswidrig.

BFH: Mindest­be­steuerung nicht verfas­sungs­widrig

Der Bundesfinanzhof ist dem nicht gefolgt. Er hat die Mindest­be­steuerung nicht als verfas­sungs­widrig angesehen, da die in ihrer Grundkonzeption angelegte zeitliche Streckung des Verlustvortrags den vom Gesetzgeber zu gewähr­leis­tenden Kernbereich eines Verlu­s­t­aus­gleichs nicht beeinträchtigt. Ob dies in Defini­tivsi­tua­tionen anders zu würdigen ist, konnte offenbleiben, weil sich der spätere Ausschluss einer steuerlichen Ausgleichs­mög­lichkeit für die klagende Kapital­ge­sell­schaft im Streitjahr nicht hinreichend sicher prognostizieren ließ. Für Sachverhalte, in denen sich eine solche Prognose treffen lässt, steht die Antwort auf die Frage nach der Verfassungswidrigkeit der Mindest­be­steuerung nach wie vor aus.

Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil14735

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI