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- DB 2009, 177Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 2009, Seite: 177
- MDR 2009, 272Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2009, Seite: 272
- NZA 2009, 79Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 2009, Seite: 79
- Arbeitsgericht Dresden, Urteil20.06.2006, 9 Ca 381/06
- Landesarbeitsgericht Sachsen, Urteil19.09.2007, 5 Sa 552/06
Bundesarbeitsgericht Urteil16.09.2008
BAG: Anspruch einer schwerbehinderten Bewerberin auf Entschädigung wegen Übersehens des im Bewerbungsanschreiben befindlichen Hinweises auf SchwerbehinderungPflicht zur vollständigen Kenntnisnahme des Bewerbungsschreibens verletzt
Bewirbt sich eine schwerbehinderte Person auf eine Stelle und übersieht ein Mitarbeiter des potentiellen Arbeitgebers den im Bewerbungsanschreiben befindlichen Hinweis auf die Schwerbehinderung, so ist zu vermuten, dass eine Benachteiligung wegen der Behinderung vorliegt. Die unterlassene Kenntnisnahme stellt eine Pflichtverletzung dar und kann einen Entschädigungsanspruch begründen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juni 2005 bewarb sich eine schwerbehinderte Frau auf eine Stelle als Verwaltungsmitarbeiter des Freistaats Sachsen. Der Hinweis über ihre Schwerbehinderteneigenschaft befand sich im Bewerbungsanschreiben. Dieser Hinwies wurde jedoch vom zuständigen Mitarbeiter übersehen, wodurch die Bewerberin nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Die Bewerberin sah sich aufgrund dessen wegen ihrer Behinderung benachteiligt und klagte auf Zahlung einer Entschädigung. Der Freistaat hielt diese für unbegründet. Denn seiner Meinung nach setze ein Entschädigungsanspruch die Kenntnis von der Schwerbehinderung voraus. An dieser habe es aber gefehlt. Das Arbeitsgericht Dresden und das Landesarbeitsgericht Sachsen sprachen der Bewerberin eine Entschädigung zu. Dagegen richtete sich die Revision des Freistaats.
Anspruch auf Entschädigung wegen vermuteter Benachteiligung
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Revision des Freistaats Sachsen zurück. Der Bewerberin habe ein Anspruch auf Entschädigung zugestanden. Aufgrund dessen, dass der Mitarbeiter des Freistaats den Hinweis auf die Schwerbehinderung übersah, sei eine Benachteiligung der Bewerberin wegen ihrer Behinderung anzunehmen gewesen. Die unterlassene Kenntnisnahme habe eine Pflichtverletzung dargestellt. Die für den Arbeitgeber handelnden Personen seien verpflichtet, das Bewerbungsschreiben vollständig zu lesen. Dies sei hier nicht geschehen, obwohl ein hinreichend deutlicher Hinweis auf die Schwerbehinderung vorgelegen habe.
Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sei eine Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts von ca. 2.037 Euro angemessen gewesen. Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Bewerberin auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Zudem habe der Mitarbeiter den Hinweis nur fahrlässig und nicht vorsätzlich übersehen. Ferner habe nicht außer Acht gelassen werden dürfen, dass die Bewerberin über einen existenzsichernden Arbeitsplatz verfügte und die ausgeschriebene Stelle lediglich befristet war.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.03.2016
Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)
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