18.10.2024
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Dokument-Nr. 34430

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Beschluss01.10.2024Bundesarbeitsgericht9 AZR 264/23 (A)
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Bundesarbeitsgericht Beschluss01.10.2024

Leiharbeit: EuGH soll Regelung bei Betrie­bs­übergang prüfenVeräußerer und Erwerber als ein „entleihendes Unternehmen“?

Das Bundes­arbeits­gericht hat ein Vorab­entscheidungs­ersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet, um zu klären, wie die in § 1 Abs. 1b Satz 1 Arbeit­nehmer­überlassungs­gesetz (AÜG) geregelte Überlassungs­höchstdauer unions-rechtskonform zu berechnen ist, wenn auf Entleiherseite ein Betrie­bs­übergang stattgefunden hat.

Unternehmen für Logistik unterhält die Beklagte am Ort der Produk­ti­o­ns­stätte einen Betrieb, in dem die Produkte verpackt, gelagert und für den Transport vorbereitet werden. Die vormals von dem Produk­ti­o­ns­un­ter­nehmen als Betriebsteil selbst geführte Logistik ist zum 1. Juli 2018 auf die Beklagte übergegangen. Der Kläger war in der Logistik durchgängig vom 16. Juni 2017 bis zum 6. April 2022 als Leiha­r­beit­nehmer mit der Kommis­si­o­nierung von Produkten betraut. Bis zu dem Betrie­bs­tei­l­übergang auf die Beklagte am 1. Juli 2018 war Entleiherin das Produk­ti­o­ns­un­ter­nehmen. Die Beklagte ist ebenso wie das Produk­ti­o­ns­un­ter­nehmen Mitglied des Verbands der Metall- und Elektro­in­dustrie NRW eV. § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG bestimmt, dass der Verleiher denselben Leiha­r­beit­nehmer nicht länger als 18 aufein­an­der­folgende Monate „demselben Entleiher“ überlassen darf, wobei durch oder aufgrund Tarifvertrags der Einsatzbranche gemäß § 1 Abs. 1b AÜG eine vom Gesetz abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden kann. Der Kläger hat geltend gemacht, zwischen den Parteien sei zum 16. Dezember 2018 wegen Überschreitens der gesetzlichen Überlas­sungs­höchstdauer gemäß § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeits­ver­hältnis zustande gekommen. Das Produk­ti­o­ns­un­ter­nehmen als Betrie­bs­ver­äußerer und die Beklagte als Betrie­bs­er­werberin seien im Sinne des Gesetzes als derselbe Entleiher anzusehen.

Arbeitgeber: Entleihzeit beginnt neu zu laufen

Die Beklagte vertritt die gegenteilige Auffassung. Im Fall eines Übergangs des Einsatzbetriebs auf einen anderen Inhaber beginne die Überlas­sungs­höchstdauer neu zu laufen. Dies gelte auch dann, wenn der Leiha­r­beit­nehmer nach dem Übergang des Betriebs unverändert auf demselben Arbeitsplatz eingesetzt werde. Die Beklagte beruft sich außerdem darauf, dass die gesetzlich zulässige Überlas­sungs­höchstdauer aufgrund Tarifvertrags durch Betrie­bs­ver­ein­ba­rungen auf zuletzt 48 Monate verlängert worden sei. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landes­a­r­beits­gericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und u.a. festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 16. Juni 2021 ein Arbeits­ver­hältnis besteht. Gegen dieses Urteil haben der Kläger und die Beklagte Revision eingelegt.

Vorlage an den EuGH

Das BAG hat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH nach Art. 267 AEUV zur Klärung von Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2008/104/EG ersucht*. Der Senat hält es für klärungs­be­dürftig, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen bei der Berechnung der Überlas­sungsdauer im Fall eines Betrie­bs­übergangs Veräußerer und Erwerber als ein „entleihendes Unternehmen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie anzusehen sind. Davon hängt es ab, ob das Arbeits­ver­hältnis mit der Beklagten 18 Monate nach der Überlassung des Klägers zum 16. Dezember 2018 oder erst 18 Monate nach dem Betrie­bs­tei­l­übergang zum 1. Januar 2020 zustande gekommen ist.

Auf die abweichend vom Gesetz nach dem Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit für die Metall- und Elektro­in­dustrie Nordrhein-Westfalens zulässige Höchst­über­las­sungsdauer von 48 Monaten konnte sich die Beklagte nicht berufen. Sie unterhält keinen Hilfs- oder Nebenbetrieb, der dem Geltungsbereich dieses Tarifvertrags unterliegt. Die dort anfallenden Logis­tik­tä­tig­keiten sind nicht Teil des Ferti­gungs­pro­zesses.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/ab)

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