21.11.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil31.01.2023

Urlaub­s­ab­geltung bei tarif­ver­tragliche AusschlussfristZeitpunkt des EuGH-Urteils für Geltendmachung entscheidend

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeits­verhältnisses abzugelten, kann nach Maßgabe einer tarif­ver­trag­lichen Ausschlussfrist verfallen. Endete das Arbeits­ver­hältnis vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6. November 2018* und oblag es dem Arbeitnehmer aufgrund der gegenläufigen Senats­recht­sprechung nicht, den Anspruch innerhalb der tarif­ver­trag­lichen Ausschlussfrist geltend zu machen, begann die Ausschlussfrist erst mit der Bekanntgabe des Urteils.

Die Beklagte, ein Zeitungsverlag, beschäftigte den Kläger seit dem 1. April 2007 zunächst auf der Grundlage eines sog. Vertrags für Pauschalisten, sodann als angestellten Online-Redakteur. Nach § 18 Nr. 1 Satz 1 des Mantel­ta­rif­vertrags für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen (MTV) sind nicht erfüllte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen. Während seiner Tätigkeit als Pauschalist vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2010 erhielt er keinen Urlaub. Das Arbeits­ver­hältnis endete am 30. September 2014. Im August 2018 forderte der Kläger die Beklagte auf, insgesamt 65 Arbeitstage Urlaub aus den Jahren 2007 bis 2010 abzugelten. Die Forderung in Höhe von 14.391,50 Euro brutto wies die Beklagte mit der Begründung zurück, ein etwaiger Anspruch des Klägers aus der Zeit seiner Tätigkeit als Pauschalist sei verfallen und verjährt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Bundes­a­r­beits­gericht Erfolg. Sie führt zur Zurück­ver­weisung an das Landes­a­r­beits­gericht.

Anspruch auf Abgeltung kann tariflichen Ausschluss­fristen unterfallen

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann der Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs als reiner Geldanspruch tariflichen Ausschluss­fristen unterfallen. Daran hält der Senat fest. Die rechtliche Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses bildet eine Zäsur. Der Urlaub­s­ab­gel­tungs­an­spruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeits­ver­pflichtung zu Erholungs­zwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutz­be­dürf­tigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, endet mit der Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses.

Zeitpunkt des EuGH- Urteils für Geltendmachung entscheidend

Der Kläger war bei Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses am 30. September 2014 nicht gehalten, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2007 bis 2010 der Beklagten gegenüber iSd. Ausschluss­fris­ten­re­gelung geltend zu machen. Der Senat ging zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass Urlaubs­ansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertra­gungs­zeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwir­kungs­ob­lie­gen­heiten automatisch verfielen. Erst nachdem der EuGH mit Urteil vom 6. November 2018* neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hatte, oblag es dem Kläger, Urlaubsabgeltung zu verlangen.

Gesetzliche Verjäh­rungsfrist gewahrt

Der von dem Kläger erhobene Abgel­tungs­an­spruch ist vor diesem Zeitpunkt auch nicht verjährt. Zwar steht der Anwendung der Verjäh­rungs­vor­schriften der unabdingbare Schutz, den der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub genießt, nicht entgegen. Nach den vom Senat jetzt entwickelten Grundsätzen lief die Verjäh­rungsfrist nicht vor dem Ende 2018. Der Kläger wahrte die gesetzliche Verjäh­rungsfrist, indem er die Beklagte im Jahr 2018 auf Zahlung von Urlaub­s­ab­geltung gerichtlich in Anspruch nahm.

Tätigkeit als Pauschalist im Rahmen eines Arbeits­ver­hält­nisses?

Dennoch kann der Senat nach den vom Landes­a­r­beits­gericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend darüber befinden, ob die Beklagte Urlaub­s­ab­geltung schuldet. Das Landes­a­r­beits­gericht wird nach der Zurück­ver­weisung aufzuklären haben, ob der Kläger in den Jahren 2007 bis 2010, in denen er als Pauschalist redaktionelle Aufgaben für die Beklagte wahrnahm, im Rahmen eines Arbeits­ver­hält­nisses tätig war.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/ab)

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