21.11.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil20.06.2018

Entgelt­fort­zahlung im Krankheitsfall: Anspruch auf Mindestlohn verfällt nicht nach Ablauf tariflicher und arbeits­vertraglicher AusschlussfristArbeitnehmer auch während der Dauer der Arbeits­un­fä­higkeit Anspruch auf Entgelt­fort­zahlung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns

Die Geltendmachung des Anspruchs auf Entgelt­fort­zahlung im Krankheitsfall kann trotz seiner Unabdingbarkeit grundsätzlich einer tariflichen Ausschlussfrist unterworfen werden. Eine tarifliche Ausschlussfrist ist jedoch unwirksam, soweit sie auch den während der Arbeits­un­fä­higkeit fortzuzahlenden gesetzlichen Mindestlohn erfasst. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­arbeits­gerichts hervor.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens war seit dem Jahre 2012 bei dem beklagten Bauunternehmen als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Sein Stundenlohn betrug zuletzt 13 Euro brutto. Mit Schreiben vom 17. September 2015 kündigte die Beklagte das Arbeits­ver­hältnis ordentlich zum 31. Oktober 2015. Nach Erhalt der Kündigung meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank und legte der Beklagten Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gungen vor. Während die Beklagte dem Kläger für den Monat September 2015 Vergütung zahlte, verweigerte sie die Entgeltfortzahlung für den Folgemonat. Mit einem der Beklagten am 18. Januar 2016 zugestellten Schriftsatz verlangte der Kläger von dieser Entgelt­fort­zahlung im Krankheitsfall für den Monat Oktober 2015. Er trug vor, in diesem Zeitraum arbeitsunfähig krank gewesen zu sein und war der Auffassung, dass sein Anspruch nicht verfallen sei. Die Ausschluss­fris­ten­re­gelung des für allge­mein­ver­bindlich erklärten § 14 Abs. 1 BRTV-Bau, wonach - zusammengefasst formuliert - alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeits­ver­hältnis und solche, die mit dem Arbeits­ver­hältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden, sei insgesamt unwirksam, weil sie den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehme.

Das Arbeitsgericht wies die Klage bezüglich des den gesetzlichen Mindestlohn von seinerzeit 8,50 Euro je Stunde übersteigenden Anteils der Forderung ab. Der Anspruch sei insoweit nach § 14 BRTV verfallen. Im Umfang des gesetzlichen Mindestlohns hat es der Klage entsprochen. Das Landes­a­r­beits­gericht wie die Berufung der Beklagten zurück.

Arbeitgeber muss Arbeitnehmer für Zeit krank­heits­be­dingter Arbeits­un­fä­higkeit Entgelt zahlen

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Bundes­a­r­beits­gericht keinen Erfolg. Der Entgelt­fort­zah­lungs­an­spruch des Klägers für die Zeit seiner krank­heits­be­dingten Arbeits­un­fä­higkeit folge aus § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 EFZG. Danach habe der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Zeit, die infolge krank­heits­be­dingter Arbeits­un­fä­higkeit ausfällt, das Entgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall bei Erbringung der Arbeitsleistung erhalten hätte. Damit habe der Arbeitnehmer auch während der Dauer der Arbeits­un­fä­higkeit Anspruch auf Entgelt­fort­zahlung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns. Der Anspruch folge jedoch nicht unmittelbar aus § 1 MiLoG, weil nach dieser Bestimmung der Mindestlohn nur für tatsächlich geleistete Arbeit zu entrichten sei, so das Gericht. Da der Arbeitnehmer im Falle der Arbeits­un­fä­higkeit jedoch so zu stellen sei, als hätte er gearbeitet, bleibe ihm laut Bundes­a­r­beits­gericht auch der Mindestlohn als untere Grenze des fortzuzahlenden Entgelts erhalten.

Vereinbarungen zur Beschränkung der Geltendmachung des fortzuzahlenden Mindestlohns unwirksam

Zugleich gebietet es der Schutzzweck des § 3 Satz 1 MiLoG, nach Maßgabe dieser Norm den Entgelt­fort­zah­lungs­an­spruch in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns entsprechend zu sichern. Das habe zur Folge, dass Vereinbarungen, welche die Geltendmachung des fortzuzahlenden Mindestlohns i.S.d. § 3 Satz 1 MiLoG beschränken, insoweit unwirksam sind. Zu solchen Vereinbarungen gehörten nicht nur arbeits­ver­tragliche, sondern auch tarifliche Ausschluss­fristen. Anders als bei Ausschluss­fristen, die arbeits­ver­traglich in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen vereinbart sind, würden laut Gericht Tarifregelungen gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB indes keiner Trans­pa­renz­kon­trolle unterliegen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online

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