Bundesarbeitsgericht Urteil13.07.2022
Tarifvertragliche Ausschlussfrist für Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs greift nicht in Höhe des gesetzlichen MindestlohnsArbeitnehmer kann zumindest Mindestlohn verlangen
Eine tarifvertragliche Ausschlussfrist für den Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs greift nicht in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns. Insofern kann der Arbeitnehmer im Falle eines Annahmeverzugs zumindest den Mindestlohn verlangen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Einem Vorarbeiter in einem Bauunternehmen wurde im Juni 2017 gekündigt. Ein anschließendes Kündigungsschutzverfahren ergab im August 2017, dass die Kündigung unwirksam war. Im Oktober 2017 kündigte schließlich der Arbeitnehmer selbst. Zwei Jahre später verlangte der Arbeitnehmer für die Zeit von Juli bis August 2017 die Vergütung wegen Annahmeverzugs in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns. Die Arbeitgeberin hielt den Anspruch für nicht gegeben und verwies zur Begründung auf die Ausschlussfrist des Tarifvertrags. Danach hätte der Anspruch innerhalb von zwei Monaten geltend gemacht werden müssen. Sowohl das Arbeitsgericht Reutlingen als auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gaben der Klage statt. Dagegen richtete sich die Revision der Arbeitgeberin.
Möglicher Anspruch auf Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns
Das Bundesarbeitsgericht hielt den geltend gemachten Anspruch möglicherweise für gegeben. Jedenfalls sei der Anspruch nicht in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns nach der tarifvertraglichen Ausschlussfristenregelung verfallen. Dem stehe § 3 Satz 1 MiLoG entgegen.
Tarifvertragliche Ausschlussfrist greift nicht in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns
§ 615 Satz 1 BGB erhalte dem Arbeitnehmer im Annahmeverzugszeitraum den Vergütungsanspruch aus § 611 a Abs. 2 BGB aufrecht, so das Bundesarbeitsgericht. Es gelte das Lohnausfallprinzip mit der Folge, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich so zu stellen sei, als hätte er gearbeitet. Dies verlange, den Mindestlohn als Geldfaktor in die Berechnung des Annahmeverzugsvergütung einzustellen, soweit nicht aus anderen Rechtsgründen ein höherer Vergütungsanspruch bestehe. Denn anderenfalls stünde der Arbeitnehmer entgegen dem Gesetzesbefehl des § 615 Satz 1 BGB schlechter als er bei tatsächlicher Arbeit gestanden hätte. In diesem Fall hätte er - unbeschadet von Ausschlussfristen - jedenfalls den gesetzlichen Mindestlohn erhalten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.07.2024
Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)