15.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 15526

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Urteil25.10.2012Bundesarbeitsgericht2 AZR 495/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2013, 954Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 954
  • NZA 2013, 319Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 2013, Seite: 319
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Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil22.02.2011, 3 Sa 474/09
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil25.10.2012

Telefonate im Operationssaal: Private Handynutzung eines Chefarztes während einer Operation rechtfertigt keine fristlose KündigungVorherige Abmahnung als milderes Mittel erforderlich

Führt ein Chefarzt während einer Operation private Telefonate mit seinem Handy, so rechtfertigt dies grundsätzlich keine fristlose Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses. Der Arbeitgeber muss als milderes Mittel zunächst die Abmahnung wählen. Dies hat das Bundes­a­r­beits­gericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Chefarzt nahm zu seinen Operationen sowohl das Diensttelefon als auch sein privates Handy mit in den Operationssaal. Die Klinik gestatte die Annahme von dienstlichen Anrufen während einer Operation. Der Chefarzt führte jedoch nicht nur dienstliche Gespräche, sondern auch private Telefonate. Er ließ die Anrufe teilweise von einem Mitglied des Operationsteams annehmen. Die Klinik war der Meinung, dass durch die Telefonate die ärztliche Konzentration beeinträchtigt worden und eine Gefahr für die Sterilität der Umgebung zu befürchten gewesen sei. Sie kündigte dem Chefarzt daher fristlos. Dieser erhob daraufhin Kündi­gungs­schutzklage. Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Dagegen richtete sich die Revision des Chefarztes.

Fristlose, außer­or­dentliche Kündigung war unwirksam

Das Bundes­a­r­beits­gericht entschied zu Gunsten des Chefarztes. Denn die fristlose, außer­or­dentliche Kündigung sei unwirksam gewesen.

Fristlose Kündigung setzt wichtigen Grund voraus

Das Bundes­a­r­beits­gericht führte zunächst aus, dass eine fristlose Kündigung nur aus wichtigem Grund erfolgen könne (§ 626 Abs. 1 BGB). Dies setze voraus, dass der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände an sich, also typischerweise als wichtiger Grund für eine außer­or­dentliche Kündigung geeignet sei. Nachfolgend müsse geprüft werden, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses unter Berück­sich­tigung der konkreten Umstände des Falls zumutbar sei oder nicht (vgl. BAG, Urt. v. 19.04.2012 - 2 AZR 258/11).

Einzel­fa­ll­ab­wägung erforderlich

Es habe eine Bewertung im Einzelfall unter Beachtung des Verhält­nis­mä­ßig­keits­grund­satzes stattzufinden, so das Bundes­a­r­beits­gericht weiter. Daher müsse in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abgewogen werden. Dabei seien vor allem folgende Aspekte zu berücksichtigen: das Gewicht und die Auswirkung der Vertrags­pflicht­ver­letzung, die Schwere des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wieder­ho­lungs­gefahr sowie die Dauer des Arbeits­ver­hält­nisses und dessen störungsfreier Ablauf (vgl. BAG, Urt. v. 09.06.2011 - 2 AZR 323/10).

Mildere Mittel sind stets zu wählen

Aus Sicht des Bundes­a­r­beits­ge­richts komme eine außer­or­dentliche Kündigung jedoch nur in Betracht, wenn dem Arbeitgeber keine milderen Mittel zur Reaktion zumutbar seien. Als milderes Mittel kommen insbesondere eine Abmahnung und eine ordentliche Kündigung in Betracht (vgl. BAG, Urt. v. 10.06.2010 - 2 AZR 541/09). Beruhe nämlich die Vertrags­pflicht­ver­letzung auf ein Verhalten des Arbeitnehmers, könne in der Regel davon ausgegangen werden, dass sein künftiges Verhalten regelmäßig durch eine Abmahnung positiv beeinflusst werde (vgl. BAG, Urt. v. 19.04.2012 - 2 AZR 186/11).

Vorherige Abmahnung war hier notwendig

Nach Auffassung des Bundes­a­r­beits­ge­richts sei es dem Arbeitgeber hier zuzumuten gewesen, den Chefarzt zunächst nur abzumahnen und daher weiter­zu­be­schäftigen. Es sei vor allem zu beachten gewesen, dass ein generelles Verbot, während einer Operation zu telefonieren, nicht bestanden habe. Die Klinik habe vielmehr durch die Zulassung von dienstlichen Telefonaten es billigend in Kauf genommen, dass die Konzentration der Mitglieder eines Operationsteams durch Telefonate beeinträchtigt werde. Mit privaten Telefonaten seien aber keine weitergehende oder andere Beein­träch­tigung der ärztlichen Konzentration und Gefahr für die Sterilität der Umgebung verbunden gewesen als mit dienstlich veranlassten.

Erhebliche Vertrags­pflicht­ver­letzung lag vor

Das Bundes­a­r­beits­gericht ging aber durchaus davon aus, dass der Chefarzt aufgrund seiner privaten Telefonate seine Vertrags­pflichten in erheblicher Weise verletzt habe. Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass er eine leitende Stellung innehatte und er eine gesteigerte Verantwortung für Leben und Gesundheit der Patienten während einer Operation hatte. Er sei daher dazu verpflichtet gewesen, Störungen, die die Konzentration aller Opera­ti­o­ns­teil­nehmer beeinträchtigen können und nicht durch Notfälle notwendig seien, zu vermeiden.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

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