Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: An zwei aufeinanderfolgenden Tagen im Juni 2008 wurde eine 26-jährige Beschäftigte eines Möbelhauses von einem Kollegen mehrmals verbal sexuell belästigt. Er brachte in anzüglicher Weise die Erwartung zum Ausdruck, die Mitarbeiterin habe für ihn ihre körperlichen Reize zur Schau gestellt. Des Weiteren sprach er sie auf ihr Sexualleben an und machte ihr anzügliche Angebote. Die Mitarbeiterin meldete dies. Woraufhin der Kollege fristlos gekündigt wurde. Der Arbeitnehmer wurde bereits wegen eines Schlags auf das Gesäß einer anderen Mitarbeiterin im Oktober 2007 abgemahnt. Der gekündigte Arbeitnehmer meinte, er habe die Mitarbeiterin nicht sexuell belästigt, sondern nur "geneckt". Der Arbeitgeber hätte zudem mit einer Abmahnung reagieren müssen. Denn die zuvor erteilte Abmahnung sei nicht einschlägig gewesen. Er erhob daher Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht Paderborn wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht Hamm gab der Klage auf die Berufung des Arbeitnehmers statt. Dagegen richtete sich die Revision des Arbeitgebers.
Das Bundesarbeitsgericht entschied zu Gunsten des Arbeitgebers. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB zur fristlosen außerordentlichen Kündigung habe vorgelegen. Die Kündigung sei daher wirksam gewesen. Durch das Verhalten des Arbeitnehmers im Juni 2008 habe er die Mitarbeiterin sexuell belästigt. Dies habe eine Verletzung der vertraglichen Pflichten dargestellt. Die wiederholten sexuellen Bemerkungen habe die Würde der Mitarbeiterin verletzt. Durch die Bemerkungen habe er sie verbal sexuell belästigt und zum Sexualobjekt erniedrigt. Dadurch sei ein Arbeitsumfeld entstanden, in welchem die Mitarbeiterin jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten seitens des Kollegen habe rechnen müssen.
Der Arbeitgeber müsse im Falle einer sexuellen Belästigung die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen, wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung ergreifen (vgl. § 12 Abs. 3 AGG), so das Bundesarbeitsgericht weiter. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen dürfe, bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sei in diesem Fall die Abmahnung vom Oktober 2007 mit zu berücksichtigen gewesen. Zwar wurde durch diese Abmahnung ein anderes Verhalten abgemahnt. Es sei aber nicht erforderlich, dass es sich bei dem Abmahnungsgrund und dem darauf stützenden Kündigungsgrund um identische Pflichtverletzungen gehe. Es reiche vielmehr aus, dass die jeweilige Pflichtwidrigkeit aus demselben Bereich stammt und damit Abmahnungs- und Kündigungsgrund in einem inneren Zusammenhang stehen.
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts habe der Grund der Abmahnung vom Oktober 2007 mit dem Grund der fristlosen Kündigung in einem inneren Zusammenhang gestanden. Sowohl im Schlag auf ein Gesäß als auch in einer verbalen sexuellen Belästigung liege ein die Integrität der Betroffenen missachtendes und erniedrigendes Verhalten. Zudem sei die Warnfunktion der Abmahnung vom Oktober 2007 nicht nur auf körperliche, belästigende Verhaltensweisen beschränkt gewesen. Der Arbeitnehmer habe ohne weiteres erkennen können, dass der Arbeitgeber eine weitere Belästigung einer Mitarbeiterin, gleich welcher Art, nicht dulden werde.
Aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts habe die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers auch schwer gewogen. Eine verbale Belästigung sei nicht weniger gravierend als eine körperliche. Die Intensität einer verbalen Belästigung könne ebenfalls als erheblich anzusehen sein, wenn sie - wie hier - fortgesetzt und hartnäckig erfolgen.
Eine weitere Abmahnung sei nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht notwendig gewesen. Denn schon durch die Abmahnung im Jahr 2007 habe der Arbeitnehmer für den Fall einer weiteren sexuellen Belästigung mit einer Kündigung rechnen müssen. Weiterhin sei zu beachten gewesen, dass der Arbeitgeber gemäß § 12 Abs. 1 AGG die Pflicht habe, seine weiblichen Beschäftigten effektiv vor sexuellen Belästigungen zu schützen. In dem vorliegenden Fall habe der Arbeitgeber dies durch eine nur ordentliche Kündigung nicht gewährleisten können. Denn innerhalb der Kündigungsfrist von sieben Monaten hätte die Gefahr weiterer sexueller Belästigungen durch den Arbeitnehmer bestanden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.02.2013
Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)