18.10.2024
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Landesarbeitsgericht Niedersachsen Urteil29.11.2008

"Dich würd ich auch gern von hinten ficken": Kündigung wegen verbaler sexueller Belästigung erfordert vorherige AbmahnungArbeits­rechtliche Maßnahmen müssen verhältnismäßig und angemessen sein

Eine einmalige sexuelle Belästigung eines Arbeitnehmers, der seit 14 Jahren beim Unternehmen beanstan­dungsfrei beschäftigt ist, rechtfertigt keine ordentliche Kündigung. Eine Abmahnung oder Umsetzung ist als milderes Mittel zu wählen. Dies hat das Landes­a­r­beits­gericht Niedersachsen entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Einem Arbeitnehmer wurde wegen einer verbalen sexuellen Belästigung ordentlich gekündigt. Der seit 14 Jahren als Gärtner auf dem Betriebshof einer Stadt arbeitende Beschäftigte hatte an einem Tag im Juni 2007 gegenüber einer Leiha­r­beit­nehmerin sexuelle Bemerkungen gemacht. So tätigte er zum Beispiel folgende Äußerungen: "Hat dein Mann eine Gummiallergie?", "Wie hättest du es denn am liebsten?" und "Dich würde ich auch gerne von hinten ficken". Der Arbeitnehmer war vorher mit solchen Äußerungen nicht in Erscheinung getreten und erhob Kündi­gungs­schutzklage. Das Arbeitsgericht Hannover sah in der Äußerung "Dich würde ich auch gerne von hinten ficken" eine erhebliche Pflicht­ver­letzung und wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung des Arbeitnehmers.

Ordentliche Kündigung war unwirksam

Das Landes­a­r­beits­gericht Niedersachsen entschied zu Gunsten des Arbeitnehmers, da die ordentliche Kündigung unangemessen gewesen sei. Die beklagte Stadt hätte vor Ausspruch einer Kündigung angesichts der 14jährigen beanstan­dungslosen Beschäftigung den Arbeitnehmer zunächst abmahnen müssen. Dies habe der im Kündi­gungs­schutzrecht herrschende Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz geboten. Zudem sei zu berücksichtigen gewesen, dass hier eine Leiha­r­beit­nehmerin, die nur noch für kurze Zeit bei der beklagten Stadt tätig war, belästigt wurde, so dass ein weiterer derartiger Vorfall nicht zu befürchten gewesen sei. Eine Kündigung diene aber nicht der Bestrafung für ein pflichtwidriges Verhalten in der Vergangenheit. Vielmehr müsse eine zukünftige Belastung des Arbeits­ver­hält­nisses zu befürchten sein.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz lag vor

Die Äußerungen des Arbeitnehmers seien als eine sexuelle Belästigung anzusehen gewesen, so das Landes­a­r­beits­gericht weiter. Es habe sich um eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG gehandelt. Eine solche Diskriminierung verpflichte den Arbeitgeber geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zu ergreifen. Dazu zähle eine Abmahnung, Umsetzung oder Kündigung (vgl. § 12 Abs. 3 AGG). Welche Maßnahmen im Einzelfall angemessen seien, bestimme sich nach Umfang und Intensität der Belästigung. Seien mehrere geeignete Maßnahmen möglich, müsse jedoch immer die Maßnahme ergriffen werden, die den Arbeitnehmer am wenigsten belastet.

Kündigung ohne Abmahnung nur bei massiver sexueller Belästigung

Zwar können sexuelle Belästigungen eine außer­or­dentliche oder ordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen. Dies setze aber eine massive sexuelle Belästigung in Wort und Tat oder ein zum Beispiel aus der Vorge­setz­ten­stellung heraus erzwungenes Entgegenkommen einer untergegeben Person voraus. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen.

Quelle: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, ra-online (vt/rb)

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