18.10.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil04.05.2022

Bundes­arbeits­gericht: Darlegungs- und Beweislast im Überstunden­vergütungs­prozessUnions­rechtliche Pflicht zur Arbeits­zeiterfassung tangiert bisherige Anforderungen nicht

Der Arbeitnehmer hat zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden - kurz zusammengefasst - erstens darzulegen, dass er Arbeit in einem die Norma­l­a­r­beitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss, hat der Arbeitnehmer zweitens vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat. Diese vom Bundes­arbeits­gericht entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber werden durch die auf Unionsrecht beruhende Pflicht zur Einführung eines Systems zur Messung der vom Arbeitnehmer geleisteten täglichen Arbeitszeit nicht verändert.

Der Kläger war als Auslie­fe­rungs­fahrer bei der Beklagten, die ein Einzel­han­dels­un­ter­nehmen betreibt, beschäftigt. Seine Arbeitszeit erfasste der Kläger mittels technischer Zeitauf­zeichnung, wobei nur Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, nicht jedoch die Pausenzeiten aufgezeichnet wurden . Zum Ende des Arbeits­ver­hält­nisses ergab die Auswertung der Zeitauf­zeich­nungen einen positiven Saldo von 348 Stunden zugunsten des Klägers. Mit seiner Klage hat der Kläger Überstundenvergütung in Höhe von 5.222,67 Euro brutto verlangt. Er hat geltend gemacht, er habe die gesamte aufgezeichnete Zeit gearbeitet. Pausen zu nehmen sei nicht möglich gewesen, weil sonst die Auslie­fe­rungs­aufträge nicht hätten abgearbeitet werden können. Die Beklagte hat dies bestritten.

LAG gibt Klage teilweise statt

Das Arbeitsgericht Emden hat der Klage stattgegeben. Es hat gemeint, durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 14. Mai 2019 - C - 55/18 - [CCOO], wonach die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeits­zei­t­er­fas­sungs­system einzuführen, werde die Darlegungslast im Überstun­den­ver­gü­tungs­prozess modifiziert. Die positive Kenntnis von Überstunden als eine Voraussetzung für deren arbeit­ge­ber­seitige Veranlassung sei jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitgeber sich die Kenntnis durch Einführung, Überwachung und Kontrolle der Arbeits­zei­t­er­fassung hätte verschaffen können. Ausreichend für eine schlüssige Begründung der Klage sei, die Zahl der geleisteten Überstunden vorzutragen. Da die Beklagte ihrerseits nicht hinreichend konkret die Inanspruchnahme von Pausenzeiten durch den Kläger dargelegt habe, sei die Klage begründet. Das Landes­a­r­beits­gericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage - mit Ausnahme bereits von der Beklagten abgerechneter Überstunden- abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem Fünften Senat des Bundes­a­r­beits­ge­richts keinen Erfolg. Das Berufungs­gericht hat richtig erkannt, dass vom Erfordernis der Darlegung der arbeit­ge­ber­seitigen Veranlassung und Zurechnung von Überstunden durch den Arbeitnehmer auch nicht vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung des EuGH abzurücken ist.

Unions­rechtliche Arbeits­zeits­er­fas­sungs­pflicht ohne Auswirkungen auf Anforderungen

Diese ist zur Auslegung und Anwendung der Arbeits­zei­trichtlinie 2003/88/EG und von Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergangen. Nach gesicherter Rechtsprechung des EuGH beschränken sich diese Bestimmungen darauf, Aspekte der Arbeits­zeit­ge­staltung zu regeln, um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Sie finden indes grundsätzlich keine Anwendung auf die Vergütung der Arbeitnehmer. Die unionsrechtlich begründete Pflicht zur Messung der täglichen Arbeitszeit hat deshalb keine Auswirkung auf die nach deutschem materiellen und Prozessrecht entwickelten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Überstun­den­ver­gü­tungs­prozess. Hiervon ausgehend hat das Landes­a­r­beits­gericht zutreffend angenommen, der Kläger habe nicht hinreichend konkret dargelegt, dass es erforderlich gewesen sei, ohne Pausenzeiten durchzuarbeiten, um die Auslie­fe­rungs­fahrten zu erledigen. Die bloße pauschale Behauptung ohne nähere Beschreibung des Umfangs der Arbeiten genügt hierfür nicht. Das Berufungs­gericht konnte daher offenlassen, ob die von der Beklagten bestrittene Behauptung des Klägers, er habe keine Pausen gehabt, überhaupt stimmt.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/cc)

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