Dokument-Nr. 21292
Permalink https://urteile.news/
- Fristlose Kündigung einer Bäckereiverkäuferin wegen des Verzehrs von Lebensmitteln in Höhe von 12,75 EuroArbeitsgericht Neunkirchen, Urteil12.10.2011, 2 Ca 856/11
- ArbG Bonn: Kündigung wegen Verschenkens von drei Schrauben unwirksamArbeitsgericht Bonn, Beschluss21.10.2010, 1 BV 47/10
- Fall "Emmely": Bundesarbeitsgericht erklärt fristlose Kündigung wegen Einlösen aufgefundener Leergutbons für unwirksamBundesarbeitsgericht, Urteil10.06.2010, 2 AZR 541/09
Arbeitsgericht Hamburg Urteil10.07.2015
Kündigung nach Entwendung von acht halben Brötchen unwirksamArbeitgeber hätte Krankenschwester nach knapp 23 beanstandungslosen Dienstjahren zunächst Abmahnung erteilen müssen
Das Arbeitsgericht Hamburg hat entschieden, dass die fristlose Kündigung einer Krankenschwester wegen Entwendung von acht halben Brötchen unverhältnismäßig und damit unwirksam ist.
Im zugrunde liegenden Verfahren wehrte sich eine Krankenschwester gegen eine fristlose Kündigung. Sie wurde bei der Arbeitgeberin, welche in Hamburg mehrere Krankenhäuser betreibt, im Jahre 1991 angestellt und ist ordentlich unkündbar. Im Pausenraum wurden im Kühlschrank belegte Brötchen gelagert, welche für externe Mitarbeiter (z.B. Rettungssanitäter) bestimmt waren. Eines Morgens entnahm die Klägerin acht halbe belegte Brötchenhälften dem Kühlschrank, und stellte diese in den eigenen Pausenraum. Dort wurden sie von den eigenen Mitarbeitern verzehrt, jedenfalls eine Hälfte auch durch die Klägerin. Als die Klägerin später zu dem Vorgang angehört wurde, räumte sie diesen umgehend ein, weil ihr eigenes Essen aus dem Kühlschrank gestohlen worden sei. Die Beklagte kündigte fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist.
Auch Entwendung geringwertiger Sachen kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen
Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Arbeitsgericht Hamburg Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Gericht aus, dass die Entwendung geringwertiger Sachen - hier acht belegte Brötchenhälften - grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne.
Umstände des Einzelfalls entscheidend
Allerdings sei auch bei Handlungen, die gegen das Eigentum des Arbeitgebers gerichtet sind, eine Abmahnung nicht grundsätzlich entbehrlich. Vielmehr sei in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls eine Prüfung erforderlich, ob durch eine Abmahnung verloren gegangenes Vertrauen wieder hergestellt werden könne, urteilte das Gericht. Dabei sei zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, ob er bei seiner Vertragspflichtverletzung offen oder heimlich gehandelt habe und wie er - angesprochen auf seine Verfehlung - mit den Vorwürfen umgehe.
Arbeitgeber hätte zunächst Abmahnung aussprechen müssen
Die Kündigung einer Krankenschwester nach knapp 23 Dienstjahren, in denen es nicht zu Beanstandungen gekommen ist, weil sie acht belegte Brötchenhälften genommen und mit ihren Kolleginnen während ihrer Schicht gegessen hat, ist nach Beurteilung des Arbeitsgerichts unverhältnismäßig. Zuvor hätte eine Abmahnung als milderes Mittel und zur Objektivierung der negativen Prognose ausgesprochen werden müssen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.07.2015
Quelle: Arbeitsgericht Hamburg/ra-online
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil21292
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.