Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt Urteil25.06.2014
Querschnittsgelähmter, türkischer Mieter darf Parabolantenne zum Empfang türkischer Programme auf Terrasse aufstellenVoraussetzung ist aber fehlende oder nur geringe Beeinträchtigung des Eigentums des Vermieters
Ein Querschnittsgelähmter, türkischer Mieter einer Wohnung darf zum Empfang türkischer Programme eine Parabolantenne auf seiner Terrasse aufstellen, wenn dadurch die Mietsache gar nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt wird. Dies hat das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall stellte der Mieter einer Wohnung auf seiner Terrasse eine Parabolantenne auf. Der querschnittsgelähmte, türkische Mieter wollte dadurch eine größere Zahl von türkischen Programmen empfangen. Die Vermieterin sah in der Parabolantenne eine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Hauses und verlangte daher im Oktober und November 2013 die Beseitigung des Parabolspiegels. Die Vermieterin verwies den Mieter auf das Internet und das vorhandene Breitbandkabelnetz, worüber eine Vielzahl von türkischen Sendern empfangen werden konnte. Da sich der Mieter weigerte die Satellitenschüssel zu entfernen, kam der Fall vor Gericht.
Kein Anspruch der Vermieterin auf Beseitigung der Parabolantenne
Das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt entschied gegen die Vermieterin. Ihr stehe kein Anspruch auf Beseitigung der Parabolantenne nach § 541 BGB zu. Vielmehr müsse sie den Parabolspiegel dulden. Ein Vermieter dürfe nicht ohne triftigen, sachbezogenen Grund dem Mieter Einrichtungen verwehren, die diesem das Leben in der Mietwohnung angenehmer gestalten. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Vermieter nur unerheblich beeinträchtigt und die Mietsache nicht verschlechtert wird. Im Ergebnis komme es auf eine Abwägung zwischen dem Eigentumsschutz des Vermieters (Art. 14 Abs. 1 GG) und dem Informationsinteresse des Mieters (Art. 5 Abs. 1 GG) an.
Informationsinteresse überwiegte Interesse am Eigentumsschutz
Nach Ansicht des Amtsgerichts sei das Informationsinteresse des Mieters höher zu bewerten gewesen. Es sei zu beachten, dass der Mieter aufgrund seiner körperlichen Einschränkung und die damit einhergehenden Bindung an seine Wohnung ein erhöhtes Bedürfnis an Informationen und Unterhaltung durch Fernsehprogramme, auch aus seinem Heimatland, hatte. Dabei spiele es eine Rolle, dass über eine Satellitenschüssel weitaus mehr Programme empfangen werden konnten als über den Kabelanschluss. Demgegenüber sei das Eigentum der Vermieterin nur geringfügig beeinträchtigt gewesen, da die Parabolantenne nur eingeschränkt sichtbar gewesen sei.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.04.2015
Quelle: Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt, ra-online (zt/WuM 2015, 235/rb)