21.11.2024
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Amtsgericht München Urteil28.02.2019

Wohnungs­ei­gentümer kann Installation von Überwa­chungs­kameras untersagt werdenBei Installation von Wildcams kann im Einzelfall eine das Maß des Zulässigen überschreitende Beein­träch­tigung vorliegen

Das Amtsgericht München hat entschieden, dass auch die bloße Möglichkeit, von Überwa­chungs­kameras des Nachbarn erfasst zu werden, im konkreten Einzelfall unzumutbar sein kann.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Kläger und Beklagter sind Eigentümer je einer Wohnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft in München-Berg am Laim. Im Juli 2018 installierte der Beklagte am Balkon der ihm zugehörigen Wohnung in zehn Metern Höhe eine Überwa­chungs­kamera, welche auf die Gemeinschaftsflächen des Gemein­schafts­gartens gerichtet war. Auf Verlangen der Miteigentümer entfernte er die Kamera wieder, eine entsprechende Unter­las­sungs­er­klärung unterschrieb er aber nicht.

Kamera kann angeblich nur Bilder in drei Meter Entfernung aufnehmen

Der Beklagte, der vorgerichtlich noch erklärt hatte, dass es sich um eine bloße Kameraattrappe gehandelt habe, gab in der Haupt­ver­handlung an, dass es sich um ein Kameragerät handele, wie es Jäger verwenden würden. "Man kann es mittels einer Schlinge an einem Baum befestigen und z.B. auf einen Fuchsbau richten und wenn sich dann in dem Fuchsbau was bewegt, dann macht die Kamera ein Bild." Auf Frage des Gerichts nach dem Warum erklärte er, dies sei ein absoluter Quatsch gewesen. Die Entfernung zum Gemein­schafts­garten und zu den Bäumen betrage ca. fünfzehn Meter und das Gerät könne nur in etwa drei Meter Entfernung auslösen, wenn sich dort etwas bewege. In dem Anwesen sei bereits zweimal im Erdgeschoss eingebrochen worden und seinem Sohn seien aus dessen nahegelegener Tiefgarage heraus zwei Fahrräder geklaut worden.

Miteigentümer fühlt sich durch Kamera­über­wachung beeinträchtigt

Der Kläger fühlte sich durch diese Kameras beeinträchtigt. Er gab an, nicht aufgenommen werden zu wollen, wenn er sich auf Gemein­schafts­ei­gentum aufhalte. Der Antrag des Beklagten auf Genehmigung der Überwa­chungs­kamera sei im Oktober 2018 schon gar nicht erst auf die Tagesordnung der Eigen­tü­mer­ver­sammlung gesetzt worden.

AG untersagt Überwachung von Gemein­schafts­flächen mit technischen Geräten

Das Amtsgericht München gab dem Kläger Recht und verurteilte den Beklagten, es zu unterlassen die Gemein­schafts­flächen seiner Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft mit technischen Geräten (Video Kameras, Dash-Cams oder sonstige Geräte, die zur Aufnahme von Bild und Ton geeignet sind) zu überwachen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde vom Gericht ein Ordnungsgeldes bis zu zweihun­dert­fünf­zig­tausend Euro festgesetzt, ersatzweise, für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten.

Kameras dürfen nur auf Sondereigentum des jeweiligen Eigentümers gerichtet sein

Gemäß § 14 Nr. 1 WEG sei jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von dem gemein­schaft­lichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungs­ei­gentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwachse. Entsprechend der oberge­richt­lichen Rechtsprechung könne die Installation einer Videokamera zwar durchaus von dem Gebrauchsrecht des Eigentümers oder Sonde­rei­gen­tümers umfasst sein, dies gelte jedoch nur dann, wenn die Kamera ausschließlich auf Bereiche ausgerichtet ist und Bereiche erfasst, die dem Sondereigentum des jeweiligen Eigentümers zugehören.

Überwa­chungsdruck für Untersagung der Kamerain­sta­l­lation ausreichend

In der Installation der Wildcam habe eine Beein­träch­tigung vorgelegen, die das Maß des Zulässigen überschreitet. Unstreitig sei, dass die Wildcam in Richtung Gemein­schafts­garten positioniert war. Es komme auch nicht darauf an, ob die Wildcam lediglich in einer Weite von drei Metern filmen könne oder darüber hinausgehend. Die Rechtsprechung sehe es regelmäßig sogar als ausreichend an, dass durch das Vorhandensein einer derartigen Kamera bereits dadurch in die Rechte der Betroffenen eingegriffen werde, dass hierdurch ein unzulässiger Überwa­chungsdruck aufgebaut werde. Dem sei zuzustimmen und zwar insbesondere vor dem Hintergrund, dass für die Miteigentümer, die Mieter und Besucher nicht ersichtlich sei, ob und wann die Kamera tatsächlich aufnimmt und aufzeichnet. Sofern die Betroffenen eine Überwachung durch derartige Kameras objektiv ernsthaft befürchten müssen, liege bereits ein Eingriff in das Persön­lich­keitsrecht vor.

Notwendige Beschluss­fassung der Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft liegt nicht vor

Es fehle auch an der notwendigen Beschluss­fassung der Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft. Das Gericht verkenne hierbei nicht, dass das Interesse der Beklagten grundsätzlich nachvollziehbar sei und aufgrund der entsprechenden Darlegungen auch durchaus ein erhöhtes Sicher­heits­in­teresse bestehen möge. Dies führe aber nicht dazu, dass die Beklagte berechtigt sei, ohne jedwede Kontroll­mög­lichkeit durch die Gemeinschaft, Teile des Gemein­schafts­ei­gentums zu überwachen. Zudem habe der Beklagte die Absicht weiterer Überwa­chungs­maß­nahmen in einer E-Mail vom 1. September 2018 konkret angekündigt in der der Beklagte wörtlich schreibt: "[...] Und wer weiß, vielleicht lege ich mir doch noch eine SpyCam zu".

Quelle: Amtsgericht München/ra-online (pm/kg)

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