18.10.2024
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Amtsgericht München Urteil13.01.2022

Beleidigung des Vermieters führt zu außer­or­dent­licher KündigungVertrauens­verhältnis ist nachteilig zerstört

Das Amtsgericht München verurteilte vier Mieter dazu, ihre gemeinsame Wohnung in Oberschleißheim zu räumen. Die Bewohner haben nun bis Ende Juli Zeit, auszuziehen und diese an ihre Vermieter zurück zu zugeben.

Die Beklagten lebten bereits seit 2006 in einer Fünfzim­mer­wohnung in München in einem Haus, das in Wohneinheiten aufgeteilt ist. In der Hausordnung war unter Anderem geregelt, dass das Abstellen von Gegenständen (insbesondere von Krafträdern, Mopeds, Fahrrädern und Kinderwagen) auf dem Hof, in der Garagenauffahrt, in den Gängen des Kellers oder des Speichers und im Treppenhaus einer Einwilligung des Vermieters bedarf. Trotzdem stellten zwei der Bewohner ihre Fahrräder im Eingangsbereich ab. Das behinderte die in der darunter gelegenen Wohnung wohnende Familie. Sie konnten den Durchgang nun mit ihrem Kinderwagen nicht mehr passieren. Die Familie sprach ihre Nachbarn an, trotzdem entfernten diese die Räder nicht.

Hinweis auf Hausordnung führt zu verbaler Ausein­an­der­setzung und fristloser außer­or­dent­licher Kündigung

Die Familie bat daraufhin den Vermieter, die Nachbarn auf die Einhaltung der Hausordnung hinzuweisen. Gemeinsam begab man sich zu der Wohnung der Beklagten. Im darauffolgenden Gespräch eskalierte die Situation. Einer der Bewohner beleidigte schließlich den Vermieter mit den Worten "Wer bist Du? Halt die Fresse" und berührte diesen am Oberkörper, so dass er ausweichen musste. Dieser erstattete daraufhin Strafanzeige und kündigte das Mietverhältnis außerordentlich und fristlos. Die Beklagten waren der Ansicht, es gehe darum, sie schlecht zu machen, um sie aus dem Mietverhältnis heraus zu mobben. Die Kläger sahen durch die schwere Beleidigung das für die Vertrags­er­füllung unerlässliche Vertrauen zerstört, weswegen eine Kündigung möglich gewesen sei.

Beleidigung des Vermieters zerstört für das Mietverhältnis erforderliches Vertrauen

Der zuständige Richter gab den Klägern recht: Die erklärte Kündigung sei wirksam. Die Zurechtweisung des Vermieters im Beisein anderer Hausbewohner und Mieter durch die Wendung "Halt die Fresse" stelle eine Kundgabe der Nichtachtung und Missachtung dar, da sie den Vermieter auf eine unmenschliche Ebene herabwürdige. Erschwerend komme hinzu, dass der Beklagte diese Herabwürdigung im Beisein anderer Hausbewohner getätigt habe, was der Missachtung ein noch stärkeres Gewicht verleihe, da Beleidigungen umso stärker wirken, je mehr Menschen diese vernehmen können. Noch schwerwiegender trete hinzu, dass die Beleidigung von einer Tätlichkeit flankiert war, welche zugleich zumindest nötigenden Charakter habe.

Keine vorherige Abmahnung erforderlich

Eine Abmahnung vor der Kündigung sei nicht erforderlich gewesen. Es gelte der Grundsatz, "dass durch eine schwere Beleidigung das für die Vertrags­er­füllung unerlässliche Vertrauen zerstört wird; in diesem Fall ist eine Abmahnung entbehrlich, weil zerstörtes Vertrauen durch eine Abmahnung nicht wieder­her­ge­stellt werden kann".

Wirkung gegenüber allen Mietern

Auch wenn nur einer der Mieter ausfällig wurde, müssen alle ausziehen. Das Verschulden wird den anderen Bewohnern zugerechnet, da die Leistungen unteilbar sind. Die Gebrauchs­ge­währung, zu der sich der Vermieter verpflichtet, könne nur gegenüber allen erbracht oder beendet werden. Deshalb sei eine Teilkündigung gegenüber einem von mehreren Mietern unzulässig. Wenn für eine verschul­den­s­ab­hängige Kündigung jeder Mieter eine schuldhafte Pflicht­ver­letzung begangen haben müsste, dann würde das Kündigungsrecht des Vermieters unvertretbar erschwert werden, da ihm schon das Fehlverhalten eines Mieters die Fortsetzung des Vertrags unzumutbar machen könne. Deshalb ergebe sich in diesen Fällen aus einer Abwägung der Interessen der Vertrags­be­tei­ligten, dass schuldhafte Pflicht­ver­let­zungen nur eines Mieters Gesamtwirkung haben, also auch zu Lasten der anderen Mieter wirken.

Gewährung einer Räumungsfrist

Der zuständige Richter gewährte eine Räumungsfrist bis Ende Juli: Grundsätzlich sei angesichts des massiven Vorfalls trotz der Dauer des Mietver­hält­nisses keine oder nur eine sehr knappe Räumungsfrist zu gewähren gewesen. Lediglich auf Grund der aktuellen Pandemie-Situation und des gesundheitlich schlechten Zustandes des Beklagten sei hier eine längere Räumungsfrist von gut 6 Monaten zu gewähren.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Amtsgericht München, ra-online (pm/cc)

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