21.11.2024
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Amtsgericht München Urteil12.05.2015

Epidemie im Hotel - Für Anscheinsbeweis bei Verant­wort­lichkeit des Hotels müssen mindestens 10 % der Gäste erkrankt seinInfektion stellt Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos dar

Nach erstem Anschein kann erst dann davon ausgegangen werden, dass für eine Virus- und Keimepidemie von Gästen das Hotel verantwortlich ist, wenn nachgewiesen ist, dass mindestens 10 Prozent der Gäste daran erkrankt sind. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts München hervor.

Im zugrunde liegenden Verfahren buchte der 27-jährige Kläger aus Mühlheim für sich und seine Lebensgefährtin eine achttägige Flugpau­scha­lreise nach Rhodos vom 15. Mai bis 22. Mai 2014 zum Preis von 954 Euro. Das Hotel hat 4,5 Sterne nach Landeskategorie und war zu dieser Zeit mit 1.600 Gästen belegt.

Kläger verlangt Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit aufgrund der Erkrankung

Der Kläger und seine Freundin wurden gleich in der ersten Nacht schwer krank und litten an starkem Erbrechen, Durchfall, Schwindel, Kopfschmerzen sowie massiven Magen-Darm-Beschwerden, Schüttelfrost und Fieber. Sie mussten während des gesamten Aufenthalts im Bett liegen und sind vorzeitig am 20. Mai abgereist. Der Kläger macht für die Erkrankung den Reise­ver­an­stalter verantwortlich. Im Hotel habe seit Anfang Mai ein Noro-Rota-Virus grassiert. Vor den Hotelzimmern hätten sich schmutzige Bettlaken und Handtücher mit Erbrochenem gestapelt. Hotelgäste und Kinder hätten sich auf den Gängen oder mitten im Restaurant erbrochen. Die überwiegende Anzahl der Gäste, jedoch mindestens 476 Personen, habe der Virus befallen. Der Kläger verlangt von dem Reise­ver­an­stalter den gesamten Reisepreis zurück und eine Entschädigung in gleicher Höhe wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit sowie Schmerzenzgeld, insgesamt 2.176 Euro.

Reise­ver­an­stalter weist Vorwurf der Schuld des Hotels an Erkrankung des Klägers zurück

Der Reise­ver­an­stalter weigert sich zu zahlen. Er ist der Auffassung, dass das Hotel nicht für die Erkrankung verantwortlich sei. Die beauftragten staatlich zertifizierten Forschungs­stätten hätten Proben der Nahrungsmittel sowie des Leitungswassers, der Geträn­ke­au­tomaten, der Eiswür­fel­be­reiter, der Eismaschine sowie des Poolwassers entnommen und auf etwaige Krank­heits­erreger untersucht. Sämtliche Proben sind negativ verlaufen.

Ansteckung mit Virus im Hotel aufgrund der Inkubationszeit fraglich

Der Kläger erhob Klage vor dem Amtsgericht München. Der zuständige Richter wies die Klage in vollem Umfang ab. Die Erkrankung sei nur dann ein Reisemangel, wenn die Ursache im Verant­wor­tungs­bereich des Reise­un­ter­nehmens liege. Dies konnte der Kläger nicht nachweisen. Das Gericht stellt fest, dass alleine aufgrund der Inkubationszeit fraglich erscheine, dass der Kläger und seine Lebensgefährtin sich im Hotel angesteckt haben. Es bestehe zudem eine Vielzahl von Anste­ckungs­mög­lich­keiten, zum Beispiel beim Kontakt mit anderen Personen auf der Reise oder aufgrund von verunreinigtem Meerwasser am Strand. Eine Infektion stelle sich insoweit als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos dar, so das Gericht. Zur Berechnung der Krankheitsfälle führt das Gericht aus, dass es nicht angehen könne, alle erkrankten Gäste über einen Monat zusam­men­zu­zählen und sie in das Verhältnis zur Zahl der täglich anwesenden Hotelgäste von 1.600 zu setzen, vielmehr wäre das Verhältnis zu der über einen Monat anwesend gewesenen Gesamtzahl der Gäste zu ermitteln. Das Gericht stellt darauf ab, wie viele Hotelgäste im Aufent­halts­zeitraum des Klägers erkrankt sind. Das waren höchstens 140, was bei einer Gästezahl von 1.600 einem Ergebnis 8,75 Prozent entspricht. Von einer Vielzahl von Gästen, welche an denselben Krank­heits­sym­ptomen leiden, könne dann jedoch nicht mehr gesprochen werden, wenn weniger als 10 % der Hotelgäste erkrankt sind. In diesem Fall scheide ein Anscheinsbeweis aus, so die Urteilgründe des Amtsgerichts.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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