21.11.2024
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Amtsgericht München Urteil06.08.2010

Kollaps bei Bergwanderung: Patientin muss Kosten für aufgezwungenen Hubschrau­ber­transport nicht übernehmenZu den Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten für einen Rettungs­hub­schrau­ber­transport

Die Kosten für einen Hubschrau­ber­transport, der im Rahmen einer Bergnotrettung zum Einsatz kommt, können gegen den Willen der Geretteten nur von dieser ersetzt verlangt werden, wenn dies tatsächlich dem objektiven Interesse der Geretteten entsprochen hatte. Das Risiko, dies beweisen zu müssen, trägt der Rettungsdienst, entschied das Amtsgericht München

Im Mai 2007 unternahm eine Frau eine Bergwanderung. Als sie Kreis­lauf­probleme bekam, verständigte ein anderer Bergsteiger die Rettungs­lei­t­stelle, die wiederum den Luftret­tungs­dienst benachrichtigte. Dieser sandte einen Hubschrauber. Obwohl die Wanderin dies nicht wollte, flog der Rettungsdienst sie zum Krankenhaus Garmisch-Partenkirchen. Dort konnte sie allerdings sofort wieder gehen.

Bergsteigerin soll 4.400 Euro für Rettungs­transport bezahlen

Für den Transport fielen 4.400 Euro an. Dies sollte die Bergsteigerin bezahlen. Der Rettungseinsatz habe in ihrem Interesse gelegen. Der Zustand der Frau sei bei Eintreffen der der Notärztin derartig schlecht gewesen, dass diese entschieden habe, sie in ein Krankenhaus zu transportieren. Die Wanderin hätte einen Kollaps erlitten, sei völlig erschöpft, fahl und kaltschweißig gewesen und habe sich erbrochen. Notärzte seien dazu verpflichtet, Patienten in ein Krankenhaus zu überweisen, wenn die medizinische Indikation dafür bestehe. Ob der Patient dies wolle, sei dafür unerheblich. Der Hubschrauber sei auch das einzige Mittel gewesen, die Notärztin rechtzeitig zur Wanderin zu bringen. Im Zeitpunkt des Anrufs bei der Rettungs­lei­t­stelle sei nicht einzuschätzen gewesen, ob sich die Patientin in einem lebens­be­droh­lichen Zustand befinde.

Bergsteigerin meint, sie hätte keinen Arzt benötigt

Das sah die Patientin ganz anders. Sie habe sich zwar überanstrengt und daher auch ein Kreis­lauf­problem gehabt, hätte aber keinen Arzt gebraucht, sondern nur Hilfe beim Abstieg. Die Kosten seien völlig unnötig angefallen.

Gericht weist Klage ab

Das Amtsgericht München entschied, dass die Bergsteigerin die Kosten des Transports nicht zahlen muss. Ein Ersatzanspruch bestehe nicht.

Bergsteigerin müsste Kosten allenfalls nach Geschäfts­führung ohne Auftrag übernehmen, wenn die Voraussetzungen dafür vorlägen

Da die Beklagte den Einsatz des Hubschraubers nicht beauftragt hatte, gäbe es einen solchen nur nach den Grundsätzen der Geschäfts­führung ohne Auftrag. Danach könne jemand seine Aufwendungen ersetzt bekommen, wenn seine Handlung dem Interesse des anderen entsprochen hatte.

Rettungseinsatz lag nicht im Interesse der Patientin

Nach Anhörung mehrerer Zeugen kam die Richterin zu dem Ergebnis, dass dies im vorliegenden Fall nicht gegeben war. Selbst nach der Schilderung der Notärztin könne man nicht davon ausgehen, dass der Zustand der Beklagten lebensbedrohend gewesen war. Für diese sei nur maßgeblich gewesen, dass die Beklagte den Abstieg nicht aus eigener Kraft geschafft hätte. Nach der Aussage eines anderen Zeugen hätte es einen anderen Weg gegeben, die Beklagte vom Berg zu bringen. Die Bergwacht hätte diese zu viert herunter tragen können, dafür hätte es nur 20 Minuten gebraucht und am Fuße des Berges hätte bereits ein VW-Bus eines Bergwacht­mit­glieds gewartet. Auf Grund dessen sei der Hubschrau­ber­einsatz objektiv nicht erforderlich gewesen und habe nicht dem objektiven Willen der zu Rettenden entsprochen, zumal dadurch sehr hohe Kosten angefallen seien.

Patientenwille ist maßgeblich

Selbst wenn die Klägerin bis zum Ankunft des Hubschraubers aus ihrer Sicht davon ausgegangen sei, dass dieser Einsatz dem mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprochen hätte, endete dies spätestens, als die Beklagte ihren tatsächlichen Willen, im Hubschrauber nicht mitgenommen zu werden, deutlich äußerte. Die Beklagte sei voll orientiert und ansprechbar gewesen. Deshalb sei allein der Patientenwille und nicht der ärztliche Wille maßgeblich, auch wenn dies aus ärztlicher Sicht unvernünftig sei.

Amtsgericht: Ärztin hätte sich nicht wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar gemacht

Die Besorgnis der Ärztin, sie könne sich der unterlassenen Hilfeleistung strafbar machen, wenn sie eine Patientin, deren Zustand nicht lebens­be­drohlich und deren Willensbildung nicht eingeschränkt sei, nicht zu einer Abklärung ihres Zustandes ins Krankenhaus bringe, obwohl diese es ausdrücklich nicht wolle, sei nicht nachvollziehbar. Besonders absurd sei hier auch noch, dass diese Patientin im Krankenhaus sofort wieder entlassen worden sei. Es könne nicht angehen, dass eine Patientin den gegen ihren Willen veranlassten Transport, der sie zusätzlich noch ihrer Freiheit beraubte, auch noch bezahlen müsse.

Einsatz war objektiv nicht erforderlich - Risiko trägt der, der ohne Auftrag handelt

Soweit die Klägerin meine, all dies habe sie bei Beginn des Einsatzes nicht wissen können, sei festzuhalten, dass derjenige, der für einen anderen ohne dessen Auftrag handele, das Risiko trage, dass diese Handlung nicht erforderlich sein könnte, selbst wenn er gute Gründe hatte, von der Erfor­der­lichkeit auszugehen. Entscheidend sei immer nur, ob der Einsatz tatsächlich objektiv erforderlich gewesen sei.

Quelle: ra-online, Amtsgericht München

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