21.11.2024
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Amtsgericht München Urteil06.03.2015

Arzt ist zur Herausgabe sämtlicher Kranken­un­terlagen in lesbarer Kopie verpflichtetZurück­behaltungs­recht für Unterlagen wegen noch offener Behand­lungs­rechnung besteht nicht

Der Anspruch auf Herausgabe der Patien­ten­un­terlagen in Kopie ist nur erfüllt, wenn der Arzt sämtliche Unterlagen in lesbarer Kopie gegen Koste­n­er­stattung zur Verfügung stellt. Ein Zurück­behaltungs­recht an den Unterlagen wegen einer noch offenen Behand­lungs­rechnung besteht nicht. Dies entschied das Amtsgericht München.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls ist eine Krankenkasse mit Sitz in Berlin. Bei ihr versichert ist eine Patientin aus München, die bei der beklagten Zahnärztin in einer Praxis in München Schwabing eine Zahnbehandlung zwischen Dezember 2012 und Januar 2013 hatte.

Klägerin verlangt Herausgabe der Kranken­un­terlagen in Kopie gegen Erstattung der Kopierkosten

Die versicherte Patientin gab nach der Behandlung gegenüber ihrer Kasse an, dass die Zahnärztin eine Behandlung an ihr vorgenommen habe, die nicht besprochen war und dabei eine Krone zerstört worden sein soll. Sie leide an Schmerzen und einem bitteren Geschmack im Mund. Die Patientin entband die Zahnärztin von ihrer Schweigepflicht und erklärte sich mit der Herausgabe der Kranken­un­terlagen an ihre Kranken­ver­si­cherung einverstanden. Die Kranken­ver­si­cherung forderte Ende April 2013 erstmals die Kranken­un­terlagen der bei ihr versicherten Patientin bei der Zahnärztin an. Diese reagierte nicht. Deshalb erhob die Versicherung Klage gegen die Zahnärztin auf Herausgabe der Kranken­un­terlagen in Kopie gegen Erstattung der Kopierkosten. Daraufhin legte die beklagte Zahnärztin einen Teil der Kranken­un­terlagen vor, wobei die Kopien der Röntgen­auf­nahmen nicht auswertbar waren wegen ihrer schlechten Qualität. In der Verhandlung vor dem Amtsgericht übergab die Zahnärztin den elektronischen Kartei­kar­te­n­ausdruck über die Behandlung der Patientin und erklärte, dass in ihren Praxisräumen das Original der Röntgen­auf­nahmen angesehen werden könne.

Im Übrigen macht die Zahnärztin ein Zurückbehaltungsrecht an den Unterlagen geltend, da die Rechnung für die Behandlung noch nicht bezahlt sei.

AG gibt Klage statt

Die zuständige Richterin am Amtsgericht München gab der klagenden Krankenkasse Recht. Diese kann verlangen, dass die Zahnärztin gegen Koste­n­er­stattung Kopien von den kompletten Patientenunterlagen fertigt und an die Versicherung herausgibt.

Besonderes Interesse für Anspruch auf Einsicht in Behand­lungs­un­terlagen nicht erforderlich

Das Gericht führt in den Urteilsgründen aus, dass ein Patient einen Anspruch auf Einsicht in die Behand­lungs­un­terlagen hat. Ein besonderes Interesse muss dafür nicht dargelegt werden. Dieser Anspruch der Patientin sei auf die Versicherung übergegangen wegen eines möglicherweise bestehenden Anspruchs auf Schadensersatz wegen fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung. Mit diesem Anspruch gehe auch das Einsichtsrecht in die Patientenakte auf die Versicherung über. Denn es handelt sich dabei um ein Hilfsrecht, das zur Durchsetzung der Forderung erforderlich sei.

Der Anspruch bestehe auch in vollem Umfang fort, obwohl die Zahnärztin einen Teil der Unterlagen im Prozess vorgelegt hat. Denn jedenfalls zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht haben keine lesbaren Kopien der Röntgen­un­terlagen vorgelegen. "Durch die Vorlage der übrigen Patien­ten­un­terlagen sei keine Erfüllung eingetreten, da der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patien­ten­un­terlagen als einheitlicher Anspruch erst dann erfüllt ist, wenn die Einsicht in die vollständigen Patien­ten­un­terlagen gewährt wurde, so das Gericht. Es sei auch keine teilweise Erfüllung eingetreten, da der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenakten einheitlich sei und nicht teilbar.

Kein Recht zur Rückbehaltung der Unterlagen wegen nicht bezahlter Rechnung

Die Zahnärztin hat nach dem Urteil auch nicht das Recht, die Unterlagen zurück zu behalten, da die Behand­lungs­rechnung nicht bezahlt wurde. Der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patien­ten­un­terlagen solle gerade die Feststellung eines möglichen Behand­lungs­fehlers ermöglichen, aufgrund dessen die Zahlung der Rechnung durch die Versicherte oder die Klägerin verweigert werde. Dies würde konterkariert, könnte dem Anspruch auf Einsichtnahme in die Kranken­un­terlagen ein Zurück­be­hal­tungsrecht entge­gen­ge­halten werden, so die Urteils­be­gründung.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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