18.10.2024
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Amtsgericht München Urteil24.02.2009

AG München: Einsicht in persönliche Krankenakte durch Krankenkasse zulässigEinsichtsrecht durch Dritte mit medizinischem Sachverstand oft im Interesse des Patienten

Eine Einsichtnahme in eine Krankheitsakte und Pflege­do­ku­men­ta­tionen ist bei Einverständnis des Betroffenen auch durch Krankenkassen möglich. Das Einsichtsrecht in seine persönlichen Krankenakten ist kein so höchst­per­sön­liches Recht, dass eine Übertragung auf Dritte unmöglich wäre. Dies entschied das Amtsgericht München.

Ein 88-jähriger, an fortge­schrittener Demenz mit Desori­en­tiertheit leidender Mann befand sich im Frühjahr 2008 in einem Pflegeheim. Als er wegen eines Schen­kel­hals­bruches zur stationären Behandlung in einem Krankenhaus aufgenommen wurde, wollte seine Krankenkasse den Verlet­zungs­hergang aufklären. Da der Patient auf Grund seiner Erkrankung keine Angaben machen konnte, gab dessen Betreuer den Unfal­ler­fas­sungsbogen an das Pflegeheim weiter. Dieses weigerte sich allerdings, Angaben zu machen.

Entbindung von der Schweigepflicht

Darauf hin entband der Betreuer das Pflegeheim von der Schweigepflicht hinsichtlich des Vorgangs, bei dem der Patient verletzt wurde und genehmigte die Herausgabe einer Kopie der vollständigen Pflege­do­ku­men­tation und der Sturzprotokolle an die Krankenkasse.

Pflegeheim weist auf beschränkte Infor­ma­ti­o­ns­pflicht gegenüber Krankenkassen hin

Das Pflegeheim lehnte eine Einsichtnahme jedoch weiter ab. Das Einsichtsrecht sei ein höchst­per­sön­liches Recht, das nur dem Patienten zustehe. Auch nach dem Willen des Gesetzgebers gebe es nur eine sehr beschränkte Infor­ma­ti­o­ns­pflicht der Heime gegenüber den Krankenkassen.

Anspruch auf Akteneinsicht auf Krankenkasse übertragen

Der zuständige Richter des AG München gab der Krankenkasse jedoch Recht. Zunächst stehe der Anspruch auf Einsicht in die Dokumentationen dem Patienten selbst zu. Dieser Anspruch ergäbe sich aus dem Recht des Patienten auf Selbst­be­stimmung. Im vorliegenden Fall sei dieser Anspruch wirksam auf die Krankenkasse übertragen worden.

In der Entbindung von der Schweigepflicht und der Genehmigung der Herausgabe der Unterlagen durch den insoweit berechtigten Betreuer liege die Abtretung des Anspruchs.

Einschränkungen nur im Einzelfall bei besonderen Geheim­hal­tungs­gründen

Das Einsichtsrecht sei auch kein so höchst­per­sön­liches Recht, dass eine Übertragung auf Dritte nicht möglich sei. Oftmals würde gerade ein Interesse des Patienten bestehen, das Einsichtsrecht durch Dritte mit medizinischem Sachverstand durchführen zu lassen. Einschränkungen könnten sich zwar im Einzelfall ergeben, wenn besondere Geheim­hal­tungs­gründe der Übertragung entgegenstünden. Dies sei aber hier nicht der Fall. Der Betreuer habe im Namen des Patienten gerade auf die Geheimhaltung verzichtet. Auch das Heim würde durch die Einsichtnahme nicht besonders belastet. Der Inhalt der Auskunft ändere sich nicht, nur die Person des Auskunfts­be­rech­tigten. Auch dass das Einsichtsrecht eventuell zu Schaden­er­satz­ansprüchen seitens der Krankenkasse führen könnte, lässt das Einsichtsrecht nicht entfallen. Schaden­er­satz­ansprüche würden eventuell auch auf Seiten des Patienten bestehen. Eine ungebührliche Benachteiligung des Heimes durch die Übertragung des Einsichtsrechts sei daher nicht gegeben.

Aus den sonstigen sozia­l­recht­lichen Normen sei auch der Wille des Gesetzgebers nicht erkennbar, dass der Krankenkasse grundsätzlich eine Einsichtnahme verwehrt wäre. Auch in anderen Regelungen seien Mittei­lungs­pflichten normiert.

Quelle: ra-online, AG München

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