18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen, wie während einer Hochzeit die Ringe angesteckt werden.
ergänzende Informationen

Amtsgericht München Urteil09.08.2018

Kinder­gar­ten­leitung darf Betreuungsplatz nicht wegen illoyalen Verhaltens eines Eltern­beirats­vorsitzenden kündigenHinweise auf Ausnutzung des Amtes als Eltern­beirats­vorsitzender zur Verwirklichung eigener Interessen nicht erkennbar

Dem Kind eines in den Augen der Kinder­gar­ten­leitung illoyalen Eltern­beirats­vorsitzenden darf nicht der Platz im Kindergarten gekündigt werden. Dies entschied das Amtsgericht München und verwies darauf, dass - befristet bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Haupt­sa­che­ver­fahren - der Kinder­betreuungs­vertrag zwischen den Parteien nicht infolge der Kündigung durch die Antragsgegnerin beendet ist, sondern fortbesteht.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Frühjahr 2017 schlossen die Parteien einen Betreu­ungs­vertrag für das damals zweiein­halb­jährige Kind der Antragsteller in einem Kindergarten im südlichen Münchner Landkreis. Der Vater des Kindes wurde im Oktober 2017 zum Eltern­bei­rats­vor­sit­zenden des Kindergartens gewählt. Der Elternbeirat traf sich im Februar 2018 mit der Leitung und Geschäfts­leitung des Kindergartens, um die aus Sicht des Elternbeirats bestehenden verschiedenen Probleme zu besprechen. Im Mai sprach der Elternbeirat auch beim Landratsamt als zuständiger Aufsichts­behörde vor. Danach verschickte der Vater als Eltern­bei­rats­vor­sit­zender an sämtliche Eltern einen Elternbrief, in dem er neben der Aufzählung der mit dem Landratsamt besprochenen Kritikpunkte dazu aufrief, bei künftigen Problemen neben der Geschäfts­führung des Kindergartens auch die Gemein­de­ver­waltung zu informieren, damit "[...] Seitens der Gemeinde und des Landratsamtes auf [...] (die Geschäfts­führung) eingewirkt wird, mit den Eltern und dem Elternbeirat im Sinne einer vertrau­ens­vollen Erzie­hungs­part­ner­schaft zusammen zu arbeiten oder sich die Gemeinde einen anderen Träger sucht."

Eltern erhalten außer­or­dentliche Kündigung des Betreu­ungs­platzes

Am 11. Juli 2018 kündigte die Antragsgegnerin den Betreu­ungs­vertrag außerordentlich zum 31.Juli 2018 unter Verweis auf den Inhalt des Elternbriefs, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Ohne einen Betreuungsplatz für ihren Sohn wäre die Mutter gezwungen, ihre Halbtag­s­tä­tigkeit aufzugeben. Die Eltern haben zum 1. September 2018 einen Betreuungsplatz in einem anderen Kindergarten vor Ort angeboten bekommen. Die antrag­stel­lenden Eltern behaupten, sämtliche Schritte des Vaters seien stets mit dem gesamten Elternbeirat abgesprochen gewesen. Zunächst habe man sich aufgrund der Differenzen mit der Leitung des Kindergartens an den Landes­el­tern­beirat und das Landratsamt gewandt und um Rat gefragt.

Kinder­gar­ten­leitung hält weitere Betreuung des Kindes für nicht zumutbar

Die Antragsgegnerin behauptet, dass der Vater eigenmächtig in dem Elternbrief gegenüber der Elternschaft dazu aufgerufen habe, Probleme auch der Gemein­de­ver­waltung zu melden, um so eine Auswechslung des Trägers zu erreichen. Die übrigen Eltern hätten gegenüber der Antragsgegnerin keine Beschwerden erhoben, sondern sich vielmehr zum Teil über das Vorgehen des Vaters beschwert. Deswegen sei das Vertrau­ens­ver­hältnis so zerrüttet, dass eine weitere Betreuung des Sohnes der Antragssteller für die Beklagte nicht zumutbar sei.

Elternbeirat erfüllt als Mittler zwischen Elternschaft und Träger nur vom Gesetzgeber auferlegte Funktion

Das Amtsgericht München gab den Eltern einstweilig Recht. Eine außer­or­dentliche Kündigung des Betreu­ungs­vertrags sei möglich, sofern Tatsachen vorlägen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienst­ver­hält­nisses nicht zugemutet werden könne. Ein derartiger Kündigungsgrund liege hier nicht vor. Für die Behauptung der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe eigenmächtig gegen die Antragsgegnerin agitiert und zur Verwirklichung eigener Interessen lediglich sein Amt als Eltern­bei­rats­vor­sit­zender ausgenutzt, fänden sich keine hinreichenden Anhaltspunkte. Es sei glaubhaft, dass zwar einerseits ein Teil der Eltern sich über das Vorgehen des Elternbeirats beschwere, ein anderer Teil hingegen sich direkt an den Elternbeirat gewandt habe, um über den Elternbeirat Kritik an der Antragsgegnerin zu üben. Es sei geradezu die Aufgabe des Elternbeirats als Mittler zwischen Elternschaft und Träger, Kritik, welche Eltern in dieser Form oder Schärfe aus Sorge um den Verlust des Betreu­ungs­platzes oder Auswirkungen auf die Betreuung des Kindes nicht direkt gegenüber der Antragsgegnerin vorbringen möchten, zu sammeln und als Mittler diese Kritik sodann weiterzugeben. Mit diesem Aufruf wahre der Elternbeirat daher nur seine ihm vom Gesetzgeber auferlegte Funktion.

AG erklärt außer­or­dentliche Kündigung für unwirksam

Angesichts des Vertrags­wort­lautes sei hier auch eine ordentliche Kündigung unwirksam. Vorliegend bestehe ein hinreichend hoher Grad an Gewissheit dahingehend, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam sei und daher weiterhin ein Betreu­ungs­an­spruch gegenüber der Antragsgegnerin bestehe, der es angesichts der mit einem Wechsel verbundenen negativen Auswirkungen auf das Kind rechtfertige, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zur einstweiligen Fortführung des Betreu­ungs­vertrags bis zu einer Haupt­sa­cheent­scheidung zu verpflichten.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil26379

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI