18.10.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
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Amtsgericht München Urteil09.07.2015

Faktische Kündigungsfrist von mehr als drei Monaten in AGBs eines Kinder­tages­stätten­betreibers unwirksamKündi­gungs­fristen dürfen durch Bestimmung willkürlicher Kündi­gungs­termine nicht über gesetzliche Fristen hinaus verlängert werden

Das Amtsgericht München hat entschieden, dass eine Klausel in den Allgemeinen Geschäfts­bedingungen eines Kinder­tages­stätten­betreibers, die faktisch eine Kündigungsfrist von mehr als drei Monaten festlegt, unwirksam ist.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls betreibt bilinguale Kinder­ta­gess­tätten, unter anderem auch in Esslingen. Die beklagte Mutter schloss am 19. Mai 2014 dort einen Kinder­gar­ten­vertrag über die Betreuung, Bildung und Erziehung ihrer damals zweiein­halb­jährigen Tochter mit Beginn zum 1. Oktober 2014 ab. Es war eine Betreuungszeit von 6 bis 7 Stunden werktags für monatlich 585 Euro vereinbart, zuzüglich Essensgeld in Höhe von monatlich 140 Euro.

Vertrag

Vertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage für nichtig'> Am 31. Oktober 2014 teilte die Mutter der Kindertagesstätte mit, dass sie den Vertrag wegen Wegfalls der Geschäfts­grundlage für nichtig halte. Gleichzeitig kündigte sie und schickte ihr Kind nicht mehr in den Kindergarten. Ab Februar 2015 zahlte sie keine Gebühren mehr.

Der Kinder­be­treu­ungs­vertrag enthält folgende Kündi­gungs­klausel in den Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen:

§ 7 Kündigung

(1) Der Vertrag kann ordentlich mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden, und zwar jeweils zum 31. März, 31. August, 31. Oktober und 31. Dezember. Die ordentliche Kündigung vor Vollzug des Betreu­ungs­ver­hält­nisses ist für beide Parteien ausgeschlossen; das Rechts zur außer­or­dent­lichen Kündigung bleibt unberührt.

Kinger­gar­ten­be­treiberin verlangt Zahlung der Gebühren bis zur Wirksamkeit der Kündigung

Die Betreiberin der Kinder­ta­gesstätte verlangte von der Mutter die Zahlung der Gebühren für Februar und März 2015 in Höhe von 1.450 Euro sowie entgangener Fördergelder für diese Monate in Höhe von 1.413 Euro. Das Betreu­ungs­ver­hältnis habe erst zum 31. März 2015 geendet. Wegen des Fernbleibens der Tochter seien für sie keine Fördergelder bezahlt worden.

Beklagte verweigert Zahlungen

Die Mutter weigerte sich zu zahlen. Zur Begründung trug sie vor, dass ihre Tochter die Einrichtung nur viermal besucht habe, da die Zustände dort zwanghaft und inkompetent gewesen seien. Mangels qualifizierten Personals sei keine bilinguale Erziehung möglich gewesen. Bei dem eingesetzten Personal habe es sich nicht um ausgebildete Erzieherinnen oder Personen mit vergleichbarer Qualifikation gehandelt. Essensgeld sei mangels Besuch der Einrichtung nicht geschuldet.

AG: Kinder­ta­gesstätte stehen keine Ansprüche gegen die Mutter zu

Das Amtsgericht München wies die Klage in vollem Umfang ab. Der Kinder­ta­gesstätte stehen keine Ansprüche gegen die Mutter zu. Die Einrichtung habe keinen Anspruch auf Erstattung entgangener Fördergelder. Nach den allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen in dem Kinder­gar­ten­vertrag sei Voraussetzung für einen Erstat­tungs­an­spruch u.a., dass das Kind neben der Nicht­i­n­an­spruchnahme des Platzes in der klägerischen Einrichtung gleichzeitig einen Platz in einer anderen Betreu­ungs­ein­richtung belege. Hierzu habe die Klägerin trotz Hinweis des Gerichts nichts vorgetragen, so das Gericht.

AG erklärt Kündigungsfrist für unwirksam

Die Mutter habe im Übrigen den Kinder­gar­tenplatz wirksam zum 30. November 2015 gekündigt. Die Kündigungsfrist in der Klausel nach § 7 des Vertrags sei unwirksam. In Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen dürfe wegen § 309 Nr. 9c BGB keine längere Kündigungsfrist als drei Monate festgesetzt werden. Der Klägerin sei es verwehrt durch Bestimmung willkürlicher Kündi­gungs­termine die Kündi­gungs­fristen faktisch über die in dieser Vorschrift bestimmte Dauer hinaus zu verlängern, urteilte das Gericht. So würde sich zum Beispiel bei einer Kündi­gungs­er­klärung am 1. Januar eines Jahres eine faktische Kündigungsfrist von nahezu acht Monaten ergeben. Genau diese überlange Bindung wolle die Vorschrift des § 309 Nr. 9c BGB jedoch verhindern, so das Gericht weiter.

Planungs­si­cherheit für Kinder­ta­gesstätte wäre auch bei "einfacher" dreimonatiger Kündigungsfrist gegeben

Darüber hinaus benachteilige die Regelung die Kunden unangemessen. Ein sachlich nachvoll­ziehbarer Grund für die unregelmäßigen Kündi­gungs­zeit­punkte, die zum Teil zu einer unangemessen langen Bindung des Kunden führen würden, sei nicht erkennbar. Eine Planungs­si­cherheit für die Klägerin wäre auch unter Berück­sich­tigung einer "einfachen" dreimonatigen Kündigungsfrist gegeben. Insoweit sei der Sachverhalt bei einem Kindergarten anders zu beurteilen als bei einer Schule, die aufgrund der vorgegebenen Schulhalbjahre, starrer Lehrpläne und auch aus pädagogischen Gründen ggf. ein nachvoll­ziehbares Interesse an der Festlegung von Kündi­gungs­zeit­punkten haben könne, so das Gericht.

Wegen der Unwirksamkeit der Kündi­gungs­klausel bestimme sich die Kündigungsfrist nach den gesetzlichen Vorschriften, so dass die Mutter spätestens am 15. des Monats zum Schluss des Kalendermonats kündigen konnte, urteilte das Gericht.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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