21.11.2024
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Amtsgericht München Urteil09.04.2008

Zahnzu­satz­ver­si­cherung: Tarifwechsel oder nur Erweiterung?

Bei einer Erweiterung der versicherten Leistungen innerhalb eines bestehenden Versi­che­rungs­ver­trages muss die Versicherung eindeutig zum Ausdruck bringen, dass es sich um einen vollständigen Tarifwechsel handelt. Ansonsten gelten Wartezeiten und summenmäßige Beschränkungen nur für den neu dazu gekommenen Teil. Dies hat das Amtsgericht München entschieden.

Die spätere Klägerin hatte bei einer Krankenversicherung eine Zusatz­ver­si­cherung für Zahnbehandlung unter dem Tarif 283. Danach wurden ihr 50 Prozent der Aufwendungen für medizinisch notwendige zahnärztliche Behandlungen erstattet.

Neuen Tarif vereinbart

Im November 2005 vereinbarte sie mit ihrer Versicherung einen neuen Tarif, nämlich Z100, wonach ihr 100 Prozent für Zahner­satz­kosten ohne privatärztliche Vergü­tungs­anteile und 80 Prozent der Zahner­satz­kosten mit priva­t­ärzt­lichen Vergü­tungs­an­teilen erstattet werden sollten. Der Ersatz der Kosten wurde für das erste Jahr ab Abschluss des Vertrages auf 500 Euro Höchstgrenze beschränkt, im zweiten Jahr sollten höchsten 1000 Euro ersetzt werden. In einem Nachtrag zum Versi­che­rungs­schein fand sich die Klausel: „Aufgrund der Vertrag­s­än­derung ergeben sich für den hinzukommenden Teil des Versi­che­rungs­schutzes Wartezeiten.“

Versicherung erstattete weniger als erwartet

Im Jahr 2006 musste die Versi­che­rungs­nehmerin zweimal den Zahnarzt aufsuchen und bekam dafür einmal 2742,50 Euro und einmal 1368,79 Euro in Rechnung gestellt. Unter Berufung auf die summenmäßige Begrenzung im ersten Jahr zahlte die Versicherung nur 500 Euro.

Die Versi­che­rungs­nehmerin war der Ansicht, ihr stünden 50 Prozent der Rechnungen nach dem alten Tarif sowie die 500 Euro nach dem neuen Tarif zu, da die Wartezeiten sich nur auf die Vertrags­er­wei­terung bezöge und klagte vor dem AG München. Die zuständige Richterin gab ihr Recht:

Gericht: Neuer Tarif müsste eindeutig vereinbart werden

Natürlich sei es möglich, einem Versi­che­rungs­nehmer einen vollständig neuen Tarif mit neuen Wartezeiten und Höchstbeträgen anzubieten. Das müsste aber in eindeutiger Weise geschehen.

Auslegung des Vertrages nach dem Empfän­ger­ho­rizont

Sei ein Vertrag nicht in derart eindeutiger Weise abgefasst, müsste bei der Auslegung auf den objektiven Empfän­ger­ho­rizont eines vernünftigen Versi­che­rungs­nehmers unter Berück­sich­tigung der beiderseitigen Interessenlage abgestellt werden. Dabei müsse, da die Versicherung allgemeine Geschäfts­be­din­gungen verwende, bei mehreren Ausle­gungs­mög­lich­keiten die verbrau­cher­freundliche gewählt werden.

Danach habe die Klägerin die Regelung so verstehen dürfen, dass die Höchstbeträge sich nur auf den hinzukommenden Teil beziehen. Schließlich hätten die Wartezeiten sich ebenfalls nur auf den neuen Tarif bezogen. Das entspräche auch lebensnaher Betrachtung, denn der durch­schnittliche Versi­che­rungs­nehmer wolle durch die Zahlung höherer Beiträge regelmäßig seinen Versi­che­rungs­schutz verbessern, nicht verschlechtern. Dies gelte auch dann, wenn die Verschlech­terung zeitlich begrenzt sei. Eine Gefahr, dass der Versi­che­rungs­nehmer wegen anstehender Zahnbe­hand­lungen kurzfristig in einen besseren Tarif wechsle, könne das Gericht nicht erkennen. Die unbegrenzte Koste­n­er­stattung gelte nur für den bereits länger vereinbarten Teil, indem Wartezeiten und Höchstbeträge bereits abgelaufen und für den entsprechende Beiträge bezahlt seien.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des AG München vom 01.12.2008

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