18.10.2024
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Amtsgericht München Urteil02.08.2023

Reiseabbruch aufgrund Magen-Darm-ErkrankungKein Schadensersatz- und Rück­zahlungs­anspruch

Im Streit um Schadensersatz- und Rück­zahlungs­ansprüche aus einem Reisevertrag wies das Amtsgericht München eine Klage auf Zahlung von 3.752,57 EUR ab.

Der Kläger hatte bei der Beklagten für sich und seine Familie zum Preis von 3.922 EUR eine einwöchige Pauschalreise im Juli 2022 nach Antalya gebucht. Der Kläger brach die Reise vorzeitig ab, da bei seiner Familie nach einigen Tagen Übelkeit und Erbrechen auftraten. Dies war nach Auffassung des Klägers auf unzureichende Hygiene im Hotel zurückzuführen. Schon kurz nach Anreise habe der Kläger Erbrochenes im Bereich des Swimming-Pools festgestellt, das nicht unmittelbar beseitigt worden sei. Das Essen, insbesondere Ei- und Fischgerichte, sei durchgängig gesund­heits­be­denklich erschienen, nach dem Eindruck des Klägers also nicht vollständig gegart, sondern noch partiell roh und zum Verzehr nicht geeignet. Auch habe das Essen von außen betrachtet keinen frischen Eindruck gemacht. Im Hotel hätten weitere Gäste an derselben Krank­heits­sym­ptomatik gelitten. Der Kläger forderte die Rückzahlung der Hälfte des Reisepreises, Ersatz für vertane Urlaubszeit sowie den Ersatz der Behand­lungs­kosten vor Ort und der Kosten für die vorzeitige Rückreise. Die Beklagte bestritt die Mangel­haf­tigkeit der Reiseleistungen, insbesondere die behaupteten unhygienischen Zustände und eine Gesund­heits­be­denk­lichkeit des Essens. Vor Ort habe sich eine Reiseleitung befunden, die für Sprechstunden zur Verfügung gestanden habe, und anlässlich dieser Sprechstunden sei so auch in Rundgängen die Qualität der Leistungen vor Ort geprüft worden, und zwar ohne Beanstandungen.

Zu ersetzende Schaden muss auf einem Mangel beruhen und beweisen werden

Das Amtsgericht München wies die Klage ab. Soweit die Klage auf Schaden­s­er­satz­ansprüche gerichtet ist, ist die Klage schon deswegen unbegründet, weil Schadenersatz-Verpflichtung nur besteht, wenn belegt ist dass die behauptete Pflichtverletzung zu dem eingetretenen Schaden geführt hat. Der zu ersetzende Schaden muss auf einem Mangel beruhen, so dass sowohl ein Mangel als auch das Beruhen des Schadens auf diesem Mangel vom Reisenden dargelegt und bewiesen werden muss. Ein Verur­sa­chungs­zu­sam­menhang darf nicht nur zu vermuten sein. Stattdessen muss sich auch ein Verur­sa­chungs­zu­sam­menhang mit Sicherheit und auch insofern zweifelsfrei ergeben. Jedenfalls an letzterem scheitert die Klage, weil neben behaupteter Hygienemängel der Einrichtungen und fehlender Unbedenk­lichkeit des Essens nicht ausschließbar andere Ursachen für die Erkrankung in Betracht kommen. Zum einen scheidet eine bakterielle Infektion schon nach Vortrag der Klägerseite aus, so dass Salmonellen und damit infektiöses Essen nicht in Betracht kommt. Zum anderen führt die Behauptung alleine, dass auch andere Gäste des Hotels an ähnlicher Symptomatik litten, nicht dazu, dass zwingend das Hotel verantwortlich sein muss. Allge­mein­bekannt beruht eine Vielzahl von Magen-Darm-Erkrankungen nicht auf kontaminiertem Essen, sondern auf Schmier- oder Tröpf­che­n­in­fek­tionen, bei denen an kleinen, auch aerosolen Partikeln Krank­heits­erreger anhaften und so die Erkrankung über Kontaktflächen oder schlicht räumliche Nähe zu anderen Gästen und deren Ein- und Ausatmen, Husten, Gesprächen oder Lachen übertragen wird. Dies ist auch zwanglos mit einer Vielzahl fast gleichzeitiger Erkrankungen in Einklang zu bringen. Es genügt dann schon ein einzelner, vorerkrankter Gast, um bei einer hochan­ste­ckenden Erkrankung wie etwa einem Noro-Virus zu vielfachen Folge­er­kran­kungen zu führen.

Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos

Ein Hotel verspricht aber keine aseptische Umgebung. Stattdessen realisiert sich dann ein allgemeines Lebensrisiko im Zusammentreffen mit anderen Menschen. Gemessen an diesen ohne weiteres möglichen Erklärungen würde eine Verurteilung der Beklagten, weil sie verantwortlich sei, auf bloßer Mutmaßung beruhen. Erst dann, wenn so viele Gäste krank werden, dass eine andere Ursache außerhalb des Verant­wor­tungs­be­reichs des Hotels vernünf­ti­gerweise nicht mehr in Betracht kommt, können die Erkrankungen anderer Gäste ausreichend Gewicht für einen Indizienschluss auf einen Verur­sa­chungs­zu­sam­menhang haben. Dies ist hier nicht der Fall, schon weil völlig unbestimmt geblieben ist, wie viele andere Hotelgäste überhaupt erkrankt waren. Bei fehlender Etablierung eines Verur­sa­chungs­zu­sam­menhangs sind eigene Folge­ent­schei­dungen, wie etwa, die Reise wegen der Schwere der Erkrankungen abzubrechen, nachvollziehbar, aber nicht der Beklagten zurechenbar. Für solche allgemeinen Risiken besteht nur die Möglichkeit, eine Reiseab­bruch­ver­si­cherung abzuschließen.

Reisemangel-Anzeige nicht entbehrlich

Soweit die Klage auf Mangel­haf­tigkeit und deswegen geschuldeter Rückzahlung des Kaufpreises gerichtet ist, ist die Klage auch insoweit unbegründet. Ohne Kausalität der bemängelten Hygiene für die Erkrankung der Reisenden stellt sich der Vortrag nur noch als Vortrag eines einfachen Reisemangels dar. Für diesen ist aber eine Anzeige nicht entbehrlich. Diese Anzeige muss dann auch gegenüber der Beklagten und damit gegenüber einem für diese vor Ort tätigen Reiseleiter erfolgen. Anzeige allein gegenüber dem Hotel als Leistungs­er­bringer genügt nicht. Von Beklagtenseite ist eine solche Anzeige bestritten und von Klägerseite nicht näher substantiiert worden. Die Klägerseite trägt zwar vor, man habe sich an die Reiseleitung gewandt, aber erst nachdem sich bei seiner Familie Krank­heits­symptome gezeigt hatten und so frühestens am 08.07.2022. Nach eigenem Vortrag wurde dann auch wegen des bedrohlichen Verlaufs der Erkrankung des minderjährigen Sohnes die Reise am 08.07.2022 abgebrochen. Damit wird aber der Beklagten die Möglichkeit genommen, ihrer Gewähr­leis­tungs­pflicht zu genügen und den Reisepreis mit einer Abhilfe auch umfänglich zu verdienen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: Amtsgericht München, ra-online (pm/ab)

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