21.11.2024
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Dokument-Nr. 29063

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Amtsgericht Hannover Urteil27.07.2020

Tierärztliche Hochschule Hannover haftet nicht für Tod zweier ChinchillasTierärztliche Hochschule Hannover ein Anspruch auf Zahlung der Behand­lungs­kosten

In einem Zivilstreit um den Tod zweier Chinchillas hat das AG Hannover entschieden, dass der behandelnden Tierärztlichen Hochschule Hannover ein Anspruch auf Zahlung der Behand­lungs­kosten in Höhe von knapp 450 Euro zusteht.

Die hannoversche TiHo hatte die Eigentümerin zweier Chinchillas verklagt, da diese sich geweigert hatte, tierärztliches Honorar zu zahlen. Im Rahmen der Behandlung waren die Chinchillas verstorben. Die Beklagte vertrat deshalb die Auffassung, aufgrund von Behand­lungs­fehlern nicht zahlen zu müssen.

AG verneint nach tierärztlichen Gutachten ärztlichen Behand­lungsfehle

Das Gericht hat ein tierärztliches Gutachten zur Ursache des Ablebens der Tiere eingeholt und ist schließlich zum Ergebnis gelangt, dass keine ärztlichen Behandlungsfehler vorgelegen haben. Die Narkotisierung der Tiere zum Zwecke der Anfertigung von Röntgenbildern im Zusammenhang mit einer Zahnsanierung sei "lege artis", also nach den Regeln der ärztlichen Kunst, erfolgt. Ein Vergütungsanspruch für die erbrachten Leistungen folgt aus den am 28.02.2017 mit der Beklagten geschlossenen Behand­lungs­ver­trägen. Im Rahmen der von der Beklagten beauftragten Eingriffe am 01.03.2017 und 02.03.2017 führten Ärztinnen der Klägerin röntge­no­lo­gische Untersuchungen sowie nachfolgende Zahnsanierungen bei den Chinchillas der Beklagten durch. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Forderung durch die erklärte Aufrechnung mit einer unbezifferten Schaden­s­er­satz­for­derung wegen eines Behand­lungs­fehlers der Klägerin aus §§ 280 Abs. 1, 831 BGB auch nicht untergegangen. Selbst wenn die Unbeziffertheit der Schaden­s­er­satz­for­derung im Wege der Auslegung noch orientiert an der hiesigen Gesamtforderung auf eine Höhe von wenigstens 452,35 € konkretisiert werden könnte, ist die Behandlung in der Heimtierklinik der Klägerin nach der Überzeugung des Gerichts lege artis erfolgt. Ein eine aufrechenbare Gegenforderung der beweis­be­lasteten Beklagten besteht nicht.

Verlängerung der Narkosezeit stellt geringeres Kompli­ka­ti­o­ns­risiko als erneuten Narkotisierung

Unter Berück­sich­tigung der eingeholten Gutachten stellt es nach der Überzeugung des Gerichts keinen ärztlichen Behand­lungs­fehler dar, die Anfertigung der für eine Behandlung erforderlichen Röntgenbilder mit der beauftragten Zahnsanierung im Rahmen einer Narko­se­ein­leitung zu verbinden. Vielmehr ist bei Berück­sich­tigung des mit einer Narkose verbundenen Stresses und der körperlichen Anstrengung für die betroffenen Tiere eine Verlängerung der Narkosezeit mit einem geringeren Kompli­ka­ti­o­ns­risiko verbunden, als dies bei einer erneuten Narkotisierung im Rahmen eines zweiten Behand­lungs­schrittes der Fall wäre. Dies gilt umso mehr, da eine Maulhöh­le­n­analyse bei Chinchillas als zwingende Voruntersuchung nach Angaben der beauftragten Gutachterin nicht ohne Narkose erfolgen kann. Die von der Klägerin angefertigte Anzahl der Röntgenbilder war zum Zweck einer vollum­fäng­lichen Beurteilung der Behand­lungs­si­tuation und des Behand­lungs­er­folges geboten.

Auch die Vorerkrankungen standen Narkotisierung nicht entgegen

Auch die bekannten Vorerkrankungen standen einer Narkotisierung der Tiere aus ärztlicher Sicht nicht entgegen. Zudem lag eine entsprechende Zustimmung der Beklagten im Rahmen der erfolgten Aufklärung über die grundsätzlichen Narkoserisiken vor. Der Umstand, dass Ephratha erst am 02.03.2017, und damit nach vollständigem Durchlaufen der Aufwachphase verstarb, spricht ebenfalls gegen einen unmittelbar kausalen Zusammenhang zwischen der Narko­se­zeit­ver­län­gerung und einem Versterben des Tieres. Ein Zusammenhang zwischen einer röntgen­be­dingten Narko­se­zeit­ver­län­gerung von 20 Minuten und dem Tod des Chinchillas Esra ist mangels entsprechender Anhaltspunkte nicht gegeben.

Notwendigkeit einer Antagonisierung war aus medizinischer Sicht nicht gegeben

Ferner ist die Narkose zur Überzeugung des Gerichts lege artis erfolgt. Eine Antagonisierung von Fentanyl ist im Falle einer unpro­ble­ma­tischen Narkose- und Aufwach­si­tuation aufgrund der verbleibenden sehr geringen Wirkung in der Regel nicht erforderlich. Dies gilt auch im Falle einer Triple-Narkose. Der Umstand, dass es sich dabei um eine vollant­ago­ni­sierbare Narkose handelte, bedeutet nur, dass eine gänzliche Antagonisierung erfolgen kann, aus medizinischen Gesichtspunkten aber gerade nicht erfolgen muss. Dies gilt insbesondere deshalb, da der Einsatz von Naloxon als Antidot mit einem gewissen Kompli­ka­ti­o­ns­risiko verbunden ist. So lag es hier. Anzeichen für das Auftreten von Komplikationen zeigten sich während der Dauer des gesamten Eingriffs nicht. Die Notwendigkeit einer Antagonisierung war aus medizinischer Sicht nicht gegeben und nicht gewollt. Eine Antagonisierung von Fentanyl sorgt auch für die Aufhebung der verbleibenden analgetischen Wirkung des Medikamentes, obwohl diese einen wesentlichen Grund für die Verwendung im Rahmen einer Kombi­na­ti­o­ns­narkose darstellt. Ein ersichtlicher Zusammenhang zwischen dem Tod der Chinchillas und der ausgebliebenen Antagonisierung von Fentanyl besteht nicht.

Kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Dosierung von Medetomidin und dem Versterben der Chinchillas

Zudem lassen auch die Unklarheiten über die verabreichte Dosierung von Medetomidin den Schluss auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Dosierung und dem Versterben der Chinchillas nicht zu. Die Klägerin stellt unter detaillierter Aufschlüsselung des Opera­ti­o­ns­ablaufs dar, dass es sich bei dem Wert von ,66 ml Medetomidin allein um einen Übertra­gungs­fehler handelte. Nach berichtigter Angabe der Klägerin erhielt Ephratha lediglich ,06 ml Medetomidin. Dieser Wert entspricht ,13 mg/kg. Zwar liegt dieser Wert höher als der in der Literatur angegebene Wert von ,05 mg/kg, jedoch sind die im klinischen Alltag angelegten Dosierungen stets an den Erfahrungen der jeweiligen Behand­lungs­zentren zu messen. Zudem finden sich in der Literatur auch vereinzelte Medeto­mi­din­do­sie­rungen bis ,1 mg/kg. Nach Einschätzung der beauftragten Gutachterin ist möglicherweise auch die Verwendung von weit höheren Dosierungen kompli­ka­ti­onslos möglich. Die von der Klägerin verwendeten Dosierungen von Fentanyl und Midazolam lagen unterhalb der in der Literatur zu findenden Angaben. Zudem sammelte die Klinik der Klägerin bereits über Jahre Erfahrung mit der verwendeten Dosierung von Medetomidin. Selbst wenn entgegen der Überzeugung des Gerichts eine Dosierung von ,66 ml (1,3 mg/kg) Medetomidin angelegt worden wäre, hätte dies nach Angaben der Gutachterin Komplikationen innerhalb der ersten 15-30 Minuten nach der Narko­se­ein­leitung erwarten lassen, da zu diesem Zeitpunkt die höchste Plasma­kon­zen­tration der Medikation zu erwarten ist. Dies gilt gleichermaßen für die von der Klägerin verwendete Dosierung von ,13 mg/kg. So lag es hier nicht. Ephratha verstarb erst am Folgetag der Operation und auch bei Esra traten während der Operationsdauer keinerlei Komplikationen auf. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Dosierung der Narko­se­me­di­kation und dem Versterben der Tiere ist nicht gegeben. Mangels eines nachgewiesenen Kausa­l­zu­sam­menhangs zwischen der verwendeten Injek­ti­o­ns­narkose und dem Tod der beiden Chinchillas verbleibt für die weiteren Ausführungen der Beklagten zu einer geeigneteren Kombination aus Injektions- und Inhala­ti­o­ns­narkose kein Raum.

Vorliegen einer zum Tode führenden Tympanie nicht bewiesen

Bezüglich des Vorliegens einer zum Tode führenden Tympanie blieb die Beklagte ebenfalls darlegungs- und beweisbelastet. Auch wenn die verabreichte Futtermenge von 21 ml in 4 Stunden den von der Beklagten angegebenen Wert von 5-24 ml (über den Tag verteilt) übersteigt, reicht dies für die Annahme einer zum Tode führenden Tympanie von Ephratha nicht aus. Nach Angaben der Gutachterin ist die Tympanie vielmehr als Folge einer reduzierten Futteraufnahme zu erwarten. Zudem ist die verabreichte Futtermenge von 21 ml bei Berück­sich­tigung eines Magenvolumens von 60 ml nicht zu beanstanden. Dafür spricht auch die unkomplizierte Aufnahme des Päppelbreis durch das Tier. Zu einer Abwehrreaktion als Indikator für eine Magenüberladung kam es nicht. Auch ein Verweis auf die Nachtaktivität von Chinchillas drängt nicht zur Annahme einer Tympanie. Einer verlangsamten Magen-Darm-Passage wirkte die behandelnde Ärztin durch die Gabe von Metoclopramid gezielt entgegen.

Quelle: Amtsgericht Hannover, ra-online (pm/ab)

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