03.12.2024
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Dokument-Nr. 30950

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Amtsgericht Hannover Urteil15.10.2021

Urteil zu den Kündigungen der Klein­garten­parzellen in der Schulenburger LandstraßeAG Hannover verurteilt Pächter zur Räumung von Klein­garten­parzellen

Das Amtsgericht Hannover hat in einem Rechtsstreit drei Beklagte zur Räumung von Klein­garten­parzellen verurteilt.

Die Beklagten wehren sich gegen die seitens der Landes­hauptstadt geltend gemachten Ansprüche auf Räumung und Herausgabe der Klein­gar­ten­grund­stücke an der Schulenburger Landstraße in Hannover Hainholz. Die Klein­gar­ten­grund­stücke waren von den Beklagten von einem Klein­gar­ten­verein gepachtet. Die Besonderheit sind Häuser in den drei Kleingärten mit mindestens 100m² Nutzfläche. Die Häuser stehen schon seit der Nachkriegszeit, eins jedenfalls seit 1945. Die Beklagten behaupten, in den Häusern gewohnt zu haben und viel Geld in die Bauten investiert zu haben. Sie sind der Auffassung, die Stadt habe die Wohnnutzung geduldet. Die Stadt hat das gesamte Areal Schulenburger Landstraße von einer Kirchengemeinde erworben und bis 2019 als Klein­gar­ten­fläche weiter nutzen lassen. Nunmehr beabsichtigt die Stadt die Nutzung des Grundstücks den Bestimmungen des B-Plans gemäß zuführen (Gewerbe und Straßenverkehr). Kündigungen des Genera­l­pacht­vertrags gegenüber dem Bezirksverband der Kleingärtner sind seitens der Stadt erfolgt. Der Klein­gar­ten­verein kündigte den Beklagten.

Kein Erlöschen des Heraus­ga­be­an­spruchs

Die Stadt hat aus ihrem Eigentumsrecht einen Anspruch aus § 985 BGB. Es besteht kein Recht zum Besitz bei den Beklagten. Die Geltendmachung des Räumungs- und Heraus­ga­be­an­spruchs durch die Klägerin verstößt nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB. Insbesondere ist der Klägerin keine unzulässige Rechtsausübung bei der Geltendmachung des Anspruchs vorzuwerfen. Der Klägerin kann ihr wider­sprüch­liches Verhalten nicht entge­gen­ge­halten werden. Zwar haben die Beklagten in die Häuser auf ihren gepachteten Klein­gar­ten­grund­s­tücken erheblich viel Geld investiert, jedoch gab es dafür nicht den nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs erforderlichen Vertrau­en­s­tat­bestand dahingehend, dass sie die Häuser unbegrenzt weiter nutzen dürften. Allein aus Bescheiden der Klägerin über Grundsteuer und Benut­zungs­ge­bühren und Meldungen der Adressen sowie der Häuser an das Finanzamt und das jahrelange Ignorieren, dass Häuser in Kleingärten bewohnt wurden, lässt sich kein schutzwürdiger Vertrau­en­s­tat­bestand konstruieren, der einen Herausgabeanspruch von Grundstücken aus dem Eigentum der Klägerin dauerhaft unterbinden kann. Denn es käme einer Enteignung der Klägerin gleich, wenn sie dauerhaft daran gehindert wäre, ihren Heraus­ga­be­an­spruch als Eigentümerin geltend zu machen.

Rechtswidriges Verhalten der Klägerin steht Eigentumsrecht nicht entgegen

Das Eigentumsrecht der Klägerin an dem Grundstück ist aber rechtlich stärker zu schützen als das entstandene Vertrauen der Beklagten in die fortwährende Nutzungs­mög­lichkeit der Häuser auf dem städtischen Grund. Denn der Schutz des Eigentums an Grundstücken ist in der Rechtsordnung besonders stark angelegt. Vielmehr kommt lediglich in Betracht, dass sich die Klägerin in der Vergangenheit teilweise rechtswidrig verhielt, indem sie Wohnanschriften der Beklagten auf dem Klein­gar­tengrund duldete und verwendete, obwohl das Wohnen dort rechtlich nicht erlaubt war. Das Wohnen war bereits in den Klein­gar­ten­pacht­ver­trägen ausgeschlossen und auch nicht nach dem geltenden Bebauungsplan zulässig. Das mögliche rechtswidrige Verhalten ist jedoch nicht als schwerwiegend zu betrachten, weil es keine Bindung der Klägerin als Verwal­tungs­behörde umfasst, auch in Zukunft weiter rechtswidrig zu handeln.

Kein Zurück­be­hal­tungsrecht für rechtswidriges Einfamilienhaus

Mit Blick auf die Beklagte zu 1. steht dem Anspruch der Klägerin gegen sie aus § 985 BGB auch nicht der Bestandsschutz der erteilten Baugenehmigung für das Haus auf dem streit­ge­gen­ständ­lichen Grundstück: die Zulassung des "Wiederaufbaus der massiven Gartenlaube für Herrn xxx" entgegen. Einerseits wurde damals im Jahr 1945 kein Bau eines Einfa­mi­li­en­hauses genehmigt. Andererseits berechtigt der auf Art. 14 Abs. 1 GG basierende Bestandsschutz von Gebäuden nur den Eigentümer des Grundstücks, nicht den Pächter. Dem Anspruch der Klägerin aus § 985 BGB steht auch kein Zurück­be­hal­tungsrecht der Beklagten aus § 1000 BGB entgegen. Ein Zurück­be­hal­tungsrecht aufgrund von Verwendungen der Beklagten auf die Häuser als Wohnhäuser scheidet aus, weil die Wohnnutzung von Beginn der Nutzung an rechtswidrig war. Hinsichtlich der Verwendungen seitens der Beklagten auf eine Gartenlaube hat die Klägerin sogar in der mündlichen Verhandlung vom 26.09.2021 eine Entschädigung von jeweils mindestens 5000 € für alle Beklagten angeboten, die den Vorgaben des § 11 BKleingG entsprechen sollte. In der Vergangenheit sind unstreitig mehrere solche Angebote unterbreitet worden, was der neuerlichen Geltendmachung eines Zurück­be­hal­tungs­rechts entgegensteht.

Quelle: Amtsgericht Hannover, ra-online (pm/aw)

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