18.10.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
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Amtsgericht Bremen Urteil21.04.2009

Sittenwidrig überhöhte Vergütung: Schlüs­sel­not­dienst muss bei Wucher zuviel berechnetes Geld zurückerstattenKunde muss nicht mehr als die Kosten für die schonendste und günstigste Methode der Türnotöffnung tragen

Wer eine Türnotöffnung in Auftrag gibt und dafür einen überhöhten und damit sittenwidrigen Rechnungsbetrag bezahlt, kann die Rückerstattung des zuviel gezahlten Geldes verlangen. Einbehalten darf der Schlüs­sel­not­dienst nur den Betrag, der für die Durchführung der tatsächlich notwendigen Arbeiten zu berechnen ist. Auch die Anfahrtkosten dürfen maximal für die Weglänge berechnet werden, der zwischen Firmensitz und Einsatzort liegt. Dies geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Bremen hervor.

Im vorliegenden Fall nahm eine Kundin den Schlüs­sel­not­dienst in Anspruch und bezahlte anschließend den geforderten Rechnungsbetrag. Später forderte sie jedoch einen Teil des Geldes zurück, da der Rechnungsbetrag nach ihrer Ansicht zu hoch angesetzt worden sei.

Gericht stellt grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung fest

Die Klägerin im vorliegenden Fall habe nach Auffassung des Amtsgerichts Bremen gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB Anspruch auf Rückerstattung des geltend gemachten Betrages. Der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag begründe ein wucherähnliches und daher gemäß § 138 BGB sittenwidriges Geschäft, da zwischen Leistung und Gegenleistung ein besonders grobes Missverhältnis bestehe. Für die Annahme eines besonders groben Missver­hält­nisses genüge bereits, dass der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist, wie der der Gegenleistung (vgl. BGH NJW-RR 1989, 1068).

Schlüs­sel­not­dienst muss schonendste und kosten­güns­tigste Methode wählen

Im vorliegenden Fall entspreche der Wert der Leistung der Klägerin etwa dem 2,6-fachen der Leistung des Beklagten. Die von der beklagten Firma in Rechnung gestellten 498 Euro hätten allenfalls einen objektiven Wert von 190 Euro. Zugrunde zu legen sei bei dieser Berechnung der Wert für die objektiv notwendigen Arbeiten. So seien bereits alle für das Aufbohren des Schlosses in Rechnung gestellten Kosten nicht erforderlich gewesen. Es wäre die Pflicht des Schlüs­sel­dienstes gewesen, die schonendste und kosten­güns­tigste Methode der Türöffnung zu wählen. Nach Sachver­stän­di­gen­gut­achten wäre dies im vorliegenden Fall die Anwendung eines Öffnungsdrahtes gewesen, der eine Arbeitszeit von 20 bis 30 Minuten anstatt der berechneten 60 Minuten bedeutet hätte.

Fahrtzeit zwischen Firmenadresse und Einsatzort ist maßgeblich

Auch bei der Berechnung der Fahrtkosten habe der Schlüsseldienst zu hoch gegriffen. Ein Kunde müsse darauf vertrauen können, dass lediglich eine Fahrtzeit berechnet werde, die sich aus der Distanz von der Firmenadresse, die in einem Telefonbuch zu finden sei, zum Einsatzort ergebe. Die Fahrtzeit zwischen dem Firmensitz und der Adresse der Klägerin betrage lediglich acht Minuten und damit deutlich weniger als die in Rechnung gestellten 27 Minuten. Aus diesen Umständen ergebe sich ein objektiver Wert der erbrachten Leistung der beklagten Firma von 190 Euro. Damit sei die Klägerin berechtigt, das zuviel bezahlte Geld zurück zu fordern.

Quelle: ra-online, Amtsgericht Bremen (vt/st)

der Leitsatz

1. Trotz ausdrücklicher Vergü­tungs­ver­ein­barung für eine Nottüröffnung kann der Auftraggeber vom beauftragten Schlüsseldienst Rückerstattung geleisteter Zahlungen verlangen, wenn sich die vereinnahmte Vergütung als sittenwidrig überhöht erweist.

2. Bei Vorliegen einer sittenwidrig überhöhten Vergü­tungs­ver­ein­barung ist der beauftragte Schlüsseldienst lediglich zum Einbehalt desjenigen Betrages berechtigt, der dem tatsächlichen Wert der von ihm geleisteten Arbeit entspricht.

3. Der Auftraggeber darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass für die An- und Abfahrt des beauftragten Schlüs­sel­dienstes allenfalls Kosten für eine Wegstrecke berechnet werden, die für die Hin- und Rückfahrt zwischen dem aus einem Telefon- oder Branchen­bu­cheintrag des beauftragten Unternehmens ersichtlichen Firmensitz und dem Einsatzort zurückzulegen ist.

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