03.12.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
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Amtsgericht Bonn Urteil06.04.2011

"Branchenbuch-Abzocke": Anfech­tungs­mög­lichkeit bei fehlender wirtschaft­licher WerthaltigkeitAmtsgericht Bonn zur so genannten "Branchenbuch-Abzocke" mit Branchenbüchern im Internet

Das Amtsgericht Bonn hat der Feststel­lungsklage eines Kunden des Online-Verzeichnisses www.b1-b2.net stattgegeben und festgestellt, dass eine Forderung der Branchen­buchan­bieterin gegen die Kundin nicht besteht. Das Vertrags­ver­hältnis sei - sofern es überhaupt zu einem Vertragsschluss gekommen sei - wegen der von der Klägerin erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung von Anfang an unwirksam.

Als mögliche Täuschung komme nicht nur das Vorspiegeln falscher oder das Entstellen oder Verschweigen bestehender Tatsachen trotz Aufklä­rungs­pflicht in Betracht. Darauf hat bereits das Landgericht Köln mit Urteil vom 26.09.2007, Az. 9 S 139/07 verwiesen. Als Handlungs­va­riante der arglistigen Täuschung diene vielmehr auch jedes andere Verhalten, sofern es geeignet sei, beim Gegenüber einen Irrtum hervorzurufen und den Entschluss zur Abgabe der gewünschten Willen­s­er­klärung zu beeinflussen.

Fahrlässiges Überlesen des Kleingedruckten schließt Anfech­tungsrecht nicht aus ...

Das Gericht führte weiter aus, dass die gesetzliche Bestimmung des Anfech­tungs­rechts nach § 123 BGB ersichtlich das Ziel verfolge, einem auf Arglist und Täuschung beruhenden Geschäfts­gebaren in aller Regel auf Wunsch des Getäuschten die Rechtswirkung nehmen zu können. Deshalb könne auch derjenige anfechten, der dem Täuschenden die Irreführung leicht gemacht habe - so auch der Bundes­ge­richtshof, Urteil vom 22.02.2005, Az. X ZR 123/03. Mit anderen Worten: Soweit der Irrtum beim Kunden durch ein recht­s­er­heb­liches Täuschungs­ver­halten des Branchen­buchan­bieters ausgelöst worden sei, scheitere die Möglichkeit zur Vertrags­an­fechtung nicht daran, dass der Irrtum des Kunden auch auf eigener Fahrlässigkeit im Umgang mit seiner geschäftlichen Post beruhe.

... sofern die Täuschung planmäßig eingesetzt wurde

Insbesondere in Fällen, in denen der Verfasser eines Vertrags­an­gebots mittels Aufmachung und Formulierung eine Art der Gestaltung wähle, die objektiv geeignet und subjektiv bestimmt sei, beim Adressaten eine fehlerhafte Vorstellung über das Angebot hervorzurufen, könne eine Täuschung selbst dann angenommen werden, wenn der wahre Charakter des Schreibens bei sorgfältigem Lesen hätte erkannt werden können. Dies ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs, Urteil vom 26.04.2001, Az. 4 StR 439/00. Entscheidend sei, dass die jeweilige Täuschung planmäßig eingesetzt worden sei und nicht bloß Folge, sondern Zweck des Handelns sei.

Täuschung durch konkrete Gestaltung des Vertrags­for­mulars mit einem Strichcode

Im zu entscheidenden Fall konstatierte das Amtsgericht Bonn einen täuschenden Charakter des Angebots­for­mulars. Sowohl der Text, der Aufbau als auch die konkrete Gestaltung der "Offerte" legen diesen Schluss nahe. So sei die "Offertennummer" rechts oben über einem Strichcode platziert, während die eigentliche Überschrift "Ärzte Auskunfts­ver­zeichnis" keinen Hinweis darauf liefere, dass ein kosten­pflichtiger Service angeboten werde.

Aufmerksamkeit des Lesers wird auf zu prüfende Unter­neh­mensdaten gelenkt

Auch der sodann folgende Text, der von dem Kunden in aller Regel auch zuerst gelesen werde, enthalte keinerlei Hinweis auf eine Kosten­pflich­tigkeit. Es werde vielmehr suggeriert, es ginge lediglich um die Prüfung der Richtigkeit bereits bekannter Daten. So werde der Focus des Lesers von Anfang an lediglich auf die Überprüfung der nunmehr folgenden Geschäftsdaten gelenkt, was seinerseits erhöhtes Irrefüh­rungs­po­tential beinhalte.

Leser neigen zu unaufmerksamem Lesen am Ende eines Schreibens

Hinsichtlich des Hinweises auf den Charakter des Schreibens als "verbindliches Angebot" sei zu berücksichtigen, dass dieser Hinweis erst am Ende des Schreibens stehe. Leser neigen jedoch dazu, das Ende eines Schreibens am unauf­merk­samsten zu lesen - vor allem dann, wenn ihnen zuvor suggeriert werde, es ginge nur um die Prüfung der Richtigkeit bereits eingetragener Daten. Ähnlich hat das Amtsgericht Bonn mit Urteil vom 21.01.2009, Az. 7 C 211/08 entschieden.

Wirtschaftliche Werthaltigkeit der angebotenen Leitung ist fraglich

Zusätzlich spreche auch die fragliche wirtschaftliche Werthaltigkeit der angebotenen Leistung für die Täuschungs­absicht. Zwar sei die mangelnde Werthaltigkeit der Leistung kein Anfech­tungsgrund als solcher, da jedem im Wirtschaftsleben unter Berück­sich­tigung der Vertrags­freiheit unbenommen sei, auch wirtschaftlich sinnlose Verträge zu schießen. Jedoch steigen die Trans­pa­ren­zan­for­de­rungen an ein Vertragsangebot proportional zum Grad der Gering­wer­tigkeit der angebotenen Leistung.

Je geringer der Wert einer Leistung, desto höher die Anforderungen an die Transparenz des Angebots

Die Missachtung dieser im Einzelfall festzu­stel­lenden Trans­pa­ren­zan­for­de­rungen spreche für die Täuschungs­absicht des Anbietenden. Mit anderen Worten: Je weniger wirtschaftlich werthaltig die offerierte Leistung, desto höher seien die Anforderungen an die Hinweis-, Transparenz und Verständ­lich­keits­an­for­de­rungen des Vertrags­an­gebots. Vorliegend folge die fragliche wirtschaftliche Werthaltigkeit der angebotenen Leistung schon daraus, dass sie von Konkur­ren­z­un­ter­nehmen kostenlos angeboten werde.

Quelle: ra-online, Amtsgericht Bonn (vt/we)

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