22.11.2024
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Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen Urteil19.08.2008

Zum Auskunfts­an­spruch eines Landtags­ab­ge­ordneten gegen die LandesregierungNRW-Landtags­ab­ge­ordneter Priggen siegt im Organ­streit­ver­fahren gegen die Landesregierung - Auskünfte über Kohle­sub­ven­tionen müssen erteilt werden

Der verfas­sungs­rechtliche Status des Abgeordneten umfasst einen grundsätzlichen Anspruch auf vollständige und zutreffende Beantwortung seiner an die Landesregierung gerichteten parla­men­ta­rischen Anfragen. Das Fragerecht erstreckt sich auf alle Gegenstände, für welche die Regierung zuständig ist. Im Einzelfall kann auch ein privates Unternehmen Gegenstand einer parla­men­ta­rischen Anfrage sein, wenn der Staat mit ihm im eigenen Interesse intensiv zusam­me­n­a­r­beitet und einen entsprechenden Einfluss ausübt. Dies hat der Verfas­sungs­ge­richtshof für das Land Nordrhein-Westfalen entschieden.

Die Landesregierung hat den verfas­sungs­recht­lichen Infor­ma­ti­o­ns­an­spruch des Landtags­ab­ge­ordneten Reiner Priggen verletzt, indem sie von ihm gestellte parla­men­ta­rische Anfragen zu stein­koh­le­po­li­tischen Themen in einigen Punkten nicht oder nur eingeschränkt beantwortet hat. Dies hat der Verfas­sungs­ge­richtshof für das Land Nordrhein-Westfalen entschieden und damit einem entsprechenden Antrag im Organ­streit­ver­fahren teilweise stattgegeben.

Landesregierung beantwortete einige Fragen nicht

Am 9. September 2006 hatte der Antragsteller 15 Kleine Anfragen mit insgesamt 67 Unterfragen an die Landesregierung gerichtet. Die Fragen betreffen u.a. konzerninterne Erträge der Ruhrkohle Aktien­ge­sell­schaft (RAG AG), den Finanzbedarf für Altlasten und sog. Ewigkeitskosten des Stein­koh­le­bergbaus, die diesbezügliche Haftung der RAG-Gesellschafter sowie die Förderkosten und Inves­ti­ti­o­ns­pla­nungen der noch aktiven Bergwerke. Einige dieser Fragen hat die Landesregierung nicht oder nur eingeschränkt beantwortet und dies damit begründet, die betreffenden Informationen beinhalteten geschützte Betriebs- und Geschäfts­ge­heimnisse der RAG AG. In der mündlichen Urteils­be­gründung führte Präsident des Verfas­sungs­ge­richtshofs Dr. Bertrams u.a. aus:

Abgeordneter hat grundsätzlich Anspruch auf vollständige und zutreffende Beantwortung

Der verfas­sungs­rechtliche Status des Abgeordneten umfasse einen grundsätzlichen Anspruch auf vollständige und zutreffende Beantwortung seiner an die Landesregierung gerichteten parla­men­ta­rischen Anfragen. Das Fragerecht erstrecke sich auf alle Gegenstände, für welche die Regierung zuständig sei. Im Einzelfall könne auch ein privates Unternehmen Gegenstand einer parla­men­ta­rischen Anfrage sein, wenn der Staat mit ihm im eigenen Interesse intensiv zusammenarbeite und einen entsprechenden Einfluss ausübe. Dies sei hinsichtlich der RAG AG der Fall, da zwischen den Geschäfts­in­teressen des Unternehmens und den energie­po­li­tischen Belangen des Staates eine enge funktionale Verzahnung bestehe, die u.a. in der Höhe der dem Unternehmen gewährten Subventionen zum Ausdruck komme.

Gericht: Abgeordnete können in nicht­öf­fent­licher, vertraulicher oder geheimer Form unterrichtet werden

Die Pflicht der Landesregierung zur Beantwortung parla­men­ta­rischer Anfragen werde zwar u.a. durch den grundrechtlich gewährleisteten Schutz von Betriebs- und Geschäfts­ge­heimnisse begrenzt. Da grund­recht­licher Datenschutz und parla­men­ta­rischer Infor­ma­ti­o­ns­an­spruch gleichermaßen auf der Ebene des Verfas­sungs­rechts angesiedelt seien, müssten sie aber einander so zugeordnet werden, dass beide so weit wie möglich ihre Wirkungen entfalteten. Im Rahmen der hiernach gebotenen Abwägung habe die Landesregierung auch die Möglichkeit einer Unterrichtung des Abgeordneten in nicht­öf­fent­licher, vertraulicher oder geheimer Form in Betracht zu ziehen. Dies sei im Falle Priggen nicht geschehen.

Soweit die vom Antragsteller erbetenen Informationen über die RAG AG der Landesregierung nicht verfügbar gewesen seien und das Unternehmen ihre Offenlegung aus Gründen des Geheim­nis­schutzes verweigert habe, habe die Landesregierung hinreichende Bemühungen um ihre Erlangung entfaltet. Insoweit liege eine Verletzung des Infor­ma­ti­o­ns­an­spruchs des Landtags­ab­ge­ordneten Priggen nicht vor, da sich die Antwortpflicht der Landesregierung auf solche Informationen beschränke, die ihr vorlägen oder von ihr mit zumutbarem Aufwand beschafft werden könnten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VerfGH Nordrhein-Westfalen vom 19.08.2008

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