18.10.2024
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Dokument-Nr. 30013

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Beschluss18.03.2021Verfassungsgerichtshof BerlinVerfGH 4/21, VerfGH 20/21 und VerfGH 20 A/21
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Verfassungsgerichtshof Berlin Beschluss18.03.2021

Erfolgreicher Antrag mehrerer kleiner Parteien im Organstreit­verfahrenAnzahl der erforderlichen Unterstützungs­unterschriften für die Berlin-Wahl infolge der Corona-Pandemie verfas­sungs­widrig

Der Verfassungs­gerichtshof des Landes Berlin (Verfassungs­gerichtshof) hat den Anträgen der ÖDP, der Piratenpartei, der Freien Wähler, der Tierschutz­partei und der Mieter­schutz­partei auf Feststellung der Verfassungs­widrigkeit der nach dem Landes­wahl­gesetz derzeit erforderlichen Unterstützungs­unterschriften für die Zulassung zu den Wahlen in Berlin am 26. September 2021 stattgegeben. Er stellt fest, dass die derzeitigen Regelungen des Landes­wahl­ge­setzes verfas­sungs­widrig sind.

Der Berliner Gesetzgeber hatte die erforderlichen Unter­schrif­ten­quoren mit Blick auf die Erschwernisse der persönlichen Kontaktaufnahme infolge der Corona-Beschränkungen bereits mit Gesetz vom 23. Februar 2021 um etwa 50 % gesenkt. Den antrag­stel­lenden Parteien reichte diese Absenkung nicht aus. Sie rügten eine Verletzung ihrer Rechte auf Chancengleichheit als Parteien und auf Wahlrechts­gleichheit. Der Verfas­sungs­ge­richtshof sieht dies als begründet an.

Chancen­gleichheit wegen Corona-Pandemie nicht mehr gewahrt

Das Recht der politischen Parteien auf Chancen­gleichheit verlangt, dass jede Partei grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im gesamten Wahlverfahren und damit gleiche Chancen bei der Verteilung der Sitze eingeräumt werden. Das Erfordernis der festgelegten Anzahl von Unter­stüt­zungs­un­ter­schriften greift in die Rechte auf Chancen­gleichheit und Gleichheit der Wahl ein, ist jedoch unter normalen Umständen zur Vermeidung einer Stimmen­zer­split­terung gerechtfertigt. Unter den außer­ge­wöhn­lichen Bedingungen der Corona-Pandemie kann dies nach der Auffassung des Verfas­sungs­ge­richtshofs jedoch nicht fortgelten.

Unter­schrif­ten­sammlung durch Corona-Beschränkungen erschwert

Der Verfas­sungs­ge­richtshof stellt fest, dass den Parteien eine Unter­schrif­ten­sammlung durch persönliche Kontaktaufnahme nicht zumutbar ist, solange die Corona-Beschränkungen weiter bestehen. Das Werben um Unterschriften basiert maßgeblich auf dem persönlichen Kontakt und der spontanen Gesprächs­aufnahme mit fremden Personen auf der Straße, auf öffentlichen Plätzen und anlässlich von Veranstaltungen. Dies steht im Widerspruch zu den Zielen der Corona-Regelungen, deren hauptsächliches Anliegen es ist, einen Aufenthalt im öffentlichen Raum und eine persönliche Kontaktaufnahme zu haushalts­fremden Personen zu vermeiden.

VerfGH fordert Absenkung der Unter­schrif­ten­quoren auf 20 bis 30 %

Mit Blick auf die noch geringe Impfquote und die Gefahr durch Mutationen halten es die Verfas­sungs­rich­ter*innen derzeit nicht für absehbar, dass sich das Infek­ti­o­ns­ge­schehen kurzfristig in dem Maße verbessert, dass Einschränkungen bei der Unter­schrif­ten­sammlung nicht mehr zu erwarten sind. Die verbleibenden Alternativen des Unter­schrif­ten­sammelns via Internet, insbesondere durch soziale Medien, sind deutlich weniger erfolgs­ver­sprechend. Aus diesem Grund geht der Verfas­sungs­ge­richtshof davon aus, dass die Unter­schrif­ten­quoren derzeit erst bei einer Absenkung auf etwa 20 bis 30 % verfas­sungsgemäß sind.

Quelle: Verfassungsgerichtshof Berlin, ra-online (pm/ab)

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