23.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Urteil08.04.2010

Raucherclubs unzulässig – Rauchen in Festzelten weiterhin erlaubtGeändertes Nicht­rau­cher­schutz­gesetz verfas­sungsgemäß

Das Verbot so genannter Raucherclubs im rheinland-pfälzischen Nicht­rau­cher­schutz­gesetz verstößt ebenso wenig gegen die Verfassung für Rheinland-Pfalz wie die Entscheidung des Gesetzgebers, das Rauchen in nur vorübergehend betriebenen Wein-, Bier- und sonstigen Festzelten zuzulassen. Dies entschied der Verfas­sungs­ge­richtshof Rheinland-Pfalz.

Der Landes­ge­setzgeber hat das Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz durch Gesetz vom 26. Mai 2009 (GVBl. 2009, 205) geändert, nachdem der VGH festgestellt hatte, das Rauchverbot in Einraum­gast­stätten verstoße gegen die Verfassung für Rheinland-Pfalz (vgl. Verfas­sungs­ge­richtshof Rheinland-Pfalz, Urteil v. 30.09.2008 - VGH B 31/07 u.a.). Nach der Neuregelung können Betreiberinnen und Betreiber von Einraum­gast­stätten mit weniger als 75 qm Grundfläche das Rauchen nunmehr erlauben, wenn in der Gaststätte keine oder nur einfach zubereitete Speisen angeboten werden und über die Raucherlaubnis durch deutlich wahrnehmbare Hinweise im Eingangsbereich informiert wird. Darüber hinaus darf auch geschlossenen Gesellschaften das Rauchen in Gaststätten gestattet werden. Dies gilt nicht für Veranstaltungen von Vereinen oder sonstigen Vereinigungen. Eine weitere Ausnahme vom Rauchverbot lässt das Gesetz für Wein-, Bier- und sonstige Festzelte zu, die nur vorübergehend, höchstens an 21 aufeinander folgenden Tagen an einem Standort betrieben werden.

Sachverhalt zum Verfahren VGH B 60/09

Der Beschwer­de­führer - ein Raucher - ist der Ansicht, das geänderte Nicht­rau­cher­schutz­gesetz verstoße gegen die Landes­ver­fassung, weil danach Raucherclubs verboten seien. Jedenfalls aber müsse in Einraum­gast­stätten, in welchen der Inhaber das Rauchen erlaubt habe, ein reichhaltigeres Speiseangebot ermöglicht werden.

Sachverhalt im Verfas­sungs­be­schwer­de­ver­fahren VGH B 70/09

In einem anderen Verfahren macht der Beschwer­de­führer hingegen geltend, der Nicht­rau­cher­schutz gehe nicht weit genug. Denn die Ausnahme vom Rauchverbot für Wein-, Bier- und sonstige Festzelte verstoße gegen die verfas­sungs­rechtliche Pflicht des Staates, die Gesundheit seiner Bürger zu schützen. Außerdem seien Nichtraucher benachteiligt, weil sie wegen der Passi­vrauch­be­lastung von Festzelt­be­suchen abgehalten würden.

Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit durch Verbot von Raucherclubs nicht unver­hält­nismäßig eingeschränkt

Der Verfas­sungs­ge­richtshof wies beide Verfas­sungs­be­schwerden zurück:

Das Nicht­rau­cher­schutz­gesetz erlaube geschlossenen Gesellschaften nicht kommerzieller Art in privater Trägerschaft das Rauchen in Gaststätten. Diese Ausnahme vom grundsätzlichen Rauchverbot gelte jedoch nicht für Veranstaltungen von Vereinen oder sonstigen Vereinigungen. Einem Gastwirt sei es daher nicht erlaubt, seine Gasträume einem Raucherverein zur ausschließ­lichen Nutzung zu überlassen und die Gaststätte hierdurch in einen sog. Raucherclub umzuwandeln. Das Recht des Beschwer­de­führers auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit sei hierdurch nicht unver­hält­nismäßig eingeschränkt. Der Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens überwiege das Interesse des Beschwer­de­führers, sich durch den Besuch eines Raucherclubs mit umfassendem Speiseangebot den Wirkungen des Rauchverbots in Gaststätten zu entziehen. Im Übrigen gebe es auch unter Geltung des Rauchverbots durchaus Möglichkeiten, Rauchervereine zu betreiben. Sie könnten in Einraum­gast­stätten (bis 75 qm), in abgetrennten Nebenräumen von Mehrraum­gast­stätten oder in privaten Räumen Veranstaltungen durchführen.

Zuläsigkeit des Rauchens bei geschlossenen (Familien-)Gesellschaften verstößt nicht gegen allgemeinen Gleichheitssatz

Es verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, privaten geschlossenen Gesellschaften, nicht hingegen Vereinen und Vereinigungen in Gaststätten das Rauchen zu gestatten. Hierfür bestünden sachliche Gründe von hinreichendem Gewicht. Feierlichkeiten im privaten Familien- und Freundeskreis fänden typischerweise eher selten statt. An ihnen nehme im Allgemeinen nur ein verhältnismäßig kleiner Personenkreis teil. Demgegenüber würden Veranstaltungen von Vereinen und sonstigen Vereinigungen häufig von wesentlich mehr Menschen besucht und wiederholten sich typischerweise mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Außerdem bestehe bei Veranstaltungen von Vereinen – insbesondere von Rauchervereinen – ein wesentlich höheres Missbrauch­s­po­tential zur Umgehung des Rauchverbots in Gaststätten als bei Feiern im Familien- und Freundeskreis.

Geringeres Speisenangebot in Einraum­gast­stätten verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden

Die vom Beschwer­de­führer hilfsweise angegriffene Regelung im Nicht­rau­cher­schutz­gesetz, wonach das Rauchen in Einraum­gast­stätten (bis 75 qm) nur gestattet werden dürfe, wenn dort keine oder nur einfach zubereitete Speisen angeboten würden, sei ebenfalls verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Sie trage den Interessen der geträn­ke­ge­prägten Klein­ga­s­tronomie und der sie aufsuchenden Raucher Rechnung, ohne dabei einen wirksamen Gesund­heits­schutz aus dem Auge zu verlieren. Zugleich diene sie dem Ziel, die speisegeprägte Gastronomie vor unzumutbaren Wettbe­wer­bs­nach­teilen zu bewahren.

Rauchen in vorübergehend betriebenen Festzelten gefährdet Gesundheit der Gäste nicht im gleichen Maße wie in ortsfesten Gastro­no­mie­be­trieben

Die Schutzpflicht des Staates für die Gesundheit seiner Bürger gebiete dem Landes­ge­setzgeber von Verfassungs wegen nicht, das Rauchen auch in vorübergehend an einem Standort betriebenen Festzelten zu untersagen. Bei der Regelung des Nicht­rau­cher­schutzes stehe dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestal­tungs­spielraum zu. Dieser sei nicht verletzt, weil das Rauchen in nur vorübergehend betriebenen Festzelten die Gesundheit der Gäste nicht im gleichen Maße gefährde wie in ortsfesten Gastro­no­mie­be­trieben. Schon wegen der kurzen Standdauer bestehe nicht die Gefahr, dass sich dort Gäste über längere Zeiträume gleichsam „Tag für Tag” aufhielten. Die leichte Bauweise von Festzelten lasse zudem häufig einen gewissen Luftaustausch zu. Des Weiteren habe der Gesetzgeber die Wettbe­wer­bs­fä­higkeit von Festzelt­be­treibern gegenüber den Betreibern ortsfester Gaststätten in vertretbarer Weise in seine Überlegungen eingestellt. Außerdem bestehe gerade in ländlichen Regionen, die Rheinland-Pfalz in besonderer Weise prägten, ein gesteigertes Bedürfnis der Bevölkerung nach einer Ausnahme vom Rauchverbot für Festzelt­ver­an­stal­tungen. Bei Festzelt­ver­an­stal­tungen handele es sich nicht selten um Festlichkeiten, die im Brauchtum verankert seien und den Menschen abseits des Alltags Gelegenheit zur Pflege der Geselligkeit böten.

Quelle: ra-online, VerfGH Rheinland-Pfalz

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