Dokument-Nr. 22913
Permalink https://urteile.news/
- Abschiebung zur Durchführung des Asylverfahrens in Ungarn wegen systemischer Mängel unzulässigVerwaltungsgericht Köln, Urteil30.07.2015, 3 K 2005/15.A
- Systematische Mängel beim Asyl- und Aufnahmeverfahren: Rückführung eines Asylbewerbers nach Italien rechtswidrigVerwaltungsgericht Darmstadt, Urteil17.12.2014, 4 K 1536/14.DA.A
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil05.07.2016
Systematische Mängel: Keine Überstellung eines syrischen Asylantragstellers nach UngarnBRD wurde aufgrund mangelhafter Abschiebungsbedingungen Ungarns bereits mit Einreise und Asylantragstellung zuständiger Mitgliedstaat
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat entschieden, dass ein syrischer Asylantragsteller wegen systematischer Mängel beim Asylverfahren nicht nach Ungarn überstellt werden darf.
Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der allein stehende Kläger war im Jahre 2014 u.a. über Ungarn in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hatte hier einen Asylantrag gestellt. Auf ein entsprechendes Ersuchen der Bundesrepublik Deutschland hatte der an sich zuständige Mitgliedstaat Ungarn im Rahmen des Dublin-Mechanismus einer Überstellung des Klägers zur Durchführung des Asylverfahrens zugestimmt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte daraufhin den Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt und dessen Abschiebung nach Ungarn angeordnet.
VG hebt Abschiebungsbescheid auf
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hatte im März dieses Jahres den angefochtenen Bescheid im Hinblick auf aktuell bestehe erhebliche Mängel des ungarischen Asylsystems, die zur Folge hätten, dass der Kläger im Falle seiner Überstellung nach Ungarn einer unmenschlichen bzw. erniedrigenden Behandlung aussetzt sein würde, aufgehoben.
Ungarisches Abschiebungshaftsystem war bereits zum Zeitpunkt der Einreise über Ungarn in die BRD in erheblichem Maße mangelhaft
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wies die Berufung des Bundeamts für Migration und Flüchtlinge zurück. Zur Begründung stellte der Gerichtshof - anders als das Verwaltungsgericht - darauf ab, dass schon im Jahre 2014, als der Kläger nach Ungarn eingereist war und sodann den Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt hatte, das ungarische Abschiebungshaftsystem in rechtlicher wie auch tatsächlicher Hinsicht in so erheblichem Maße mängelbehaftet gewesen sei, dass es dem Kläger nicht zumutbar gewesen sei, in Ungarn ein Asylverfahren durchzuführen, weil er ein beachtliches Risiko gelaufen wäre, willkürlich inhaftiert zu werden, ohne sich hiergegen effektiv zur Wehr setzen zu können. Hinzu sei gekommen, dass die Unterbringungsbedingungen in den Haftanstalten teilweise in baulicher wie hygienischer Hinsicht sehr schlecht gewesen seien. Schließlich sei die Behandlung durch das Anstaltspersonal durch besondere Härte und Brutalität geprägt gewesen. Jedenfalls aus einer Gesamtschau aller Aspekte ergebe sich, dass der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit habe rechnen müssen, im Falle der Stellung eines Asylantrags in Ungarn unmenschlich bzw. erniedrigend behandelt zu werden. Infolge dessen sei die Bundesrepublik Deutschland mit der Einreise und der Asylantragstellung zuständiger Mitgliedstaat geworden, nachdem es keinen weiteren nach dem Dublin-Mechanismus (vorrangig) zuständigen Mitgliedstaat mehr gegeben habe. Selbst wenn sich die Verhältnisse in Ungarn mittlerweile verbessert hätten, wäre dadurch die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland nicht entfallen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.07.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil22913
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.