Im zugrunde liegenden Streitfall vertreiben die klagenden Mineralwasserunternehmen gewerblich Mineralwasser. Im Brunnenwasser ihrer Quellen wurden Metaboliten von Pflanzenschutzmitteln festgestellt, die nicht gesundheitsschädlich sind. Das Regierungspräsidium Stuttgart widerrief die für die Quellen erteilten amtlichen Anerkennungen und Nutzungsgenehmigungen, weil die Anforderungen der Mineral- und Tafelwasserverordnung (MTVO) an die "ursprüngliche Reinheit" eines natürlichen Mineralwassers nicht mehr erfüllt seien.
Das Verwaltungsgericht hob die Widerrufe auf. Es sei zweifelhaft, ob das deutsche Recht mit einer einschlägigen EU-Richtlinie vereinbar sei. Jedenfalls habe die Behörde ihr Ermessen rechtswidrig ausgeübt, weil sie nicht erwogen habe, ein in dieser Richtlinie geregeltes Verfahren zur Festlegung von Grenzwerten durch die EU-Kommission anzustrengen.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat die Urteile des Verwaltungsgerichts zwar im Ergebnis bestätigt, jedoch mit anderen Gründen. Schon die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Widerruf seien nicht erfüllt. Die festgestellten Verunreinigungen berechtigten aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht dazu, die Anerkennung als "natürliches Mineralwasser" abzulehnen, so dass auch ein Widerruf ausscheide. Die Ablehnung der staatlichen Anerkennung als "natürliches Mineralwasser" wegen Nichtbeachtung bestimmter Qualitätsanforderungen greife in die Berufsfreiheit von Mineralwasserunternehmen ein. Das sei nur durch oder aufgrund eines Gesetzes zulässig. Daran fehle es. Die MTVO fordere, wovon auch der Beklagte ausgehe, keine absolute Abwesenheit von Schadstoffen, sondern nur eine normative Reinheit. Das sei auch verfassungsrechtlich geboten. Denn Gesundheits- und Verbraucherschutz oder der Schutz eines fairen unionsweiten Handels könnten ein Gebot absoluter tatsächlicher Reinheit als Grund für den Eingriff in die Berufsfreiheit nicht rechtfertigen. Die Grenze zwischen anerkennungsfähigem und nicht anerkennungsfähigem Mineralwasser unter dem Gesichtspunkt von Verunreinigungen müsse wegen ihrer Auswirkungen auf die Berufsfreiheit in der Verordnung selbst festlegt werden. Das sei nicht der Fall. Der vom Beklagten herangezogene "Orientierungswert" für Pflanzenschutzmittel und Arzneimittel von ,05 µg/l sei nur in einer behördeninternen Verwaltungsvorschrift festgelegt. Das ersetze die gebotene normative Regelung nicht. Auch auf eine einschlägige EU-Richtlinie könne insoweit nicht zu Lasten der Mineralwasserunternehmen zurückgegriffen werden.
Schließlich fehle es auch an der weiteren Voraussetzung für einen Widerruf, dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Dies erfordere einen drohenden Schaden für den Staat, die Allgemeinheit oder wichtige Gemeinschaftsgüter. Das sei hier nicht der Fall, weil Gesundheits- und Verbraucherschutz oder der Schutz eines fairen Handels die absolute Reinheit eines "natürlichen Mineralwassers" nicht erforderten.
Darauf, ob der Widerruf aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen ermessensfehlerhaft sei, komme es folglich nicht an. Es spreche allerdings vieles dafür, dass das vom Verwaltungsgericht bezeichnete Verfahren zur Festlegung von Grenzwerten durch die EU-Kommission nur bei grenzüberschreitenden Sachverhalten in Frage komme.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.08.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online