18.10.2024
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Dokument-Nr. 12547

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil27.09.2011

Heimbewohnern stehen Einzelzimmer zu – Landes­heim­bau­ver­ordnung mit höherrangigem Recht vereinbar und gültigVerordnung soll Heimbewohnern angemessene Qualität des Wohnens und geschützte Privat- und Intimsphäre ermöglichen

Die neue Landes­heim­bau­ver­ordnung vom 18. April 2011, die - einmalig im Bundesgebiet - unter anderem vorsieht, dass allen Heimbewohnern ein Einzelzimmer zur Verfügung stehen muss, ist mit höherrangigem Recht vereinbar und daher gültig. Dies entschied der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg.

Die Antragstellerin des zugrunde liegenden Streitfalls, die ein 2006 baurechtlich genehmigtes und am 1. Januar 2008 eröffnetes Altenpflegeheim im Main-Tauber-Kreis mit 24 Einzelzimmern und 6 Doppelzimmern betreibt, könne die Landes­heim­bau­ver­ordnung nicht in vollem Umfang überprüfen lassen, da sie zahlreiche Anforderungen dieser Verordnung bereits erfülle und daher nicht nachteilig von den entsprechenden Vorschriften betroffen sei, entschied der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg. Dies gelte insbesondere für die Vorschriften über die Lage des Heims und die vorgeschriebene Größe der Zimmer. Ungeachtet dessen sei der Normen­kon­trol­lantrag insgesamt unbegründet.

Regelungen trotz der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe hinreichend bestimmt gefasst

Der Landes­ge­setzgeber sei zum Erlass der Landes­heim­bau­ver­ordnung, deren Bestimmungen unter anderem die bauliche Gestaltung, die Größe und die Standorte von Heimen regelten, befugt, weil die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz für das Heimrecht durch die Födera­lis­mus­reform 2006 vom Bund auf die Länder übergegangen sei, so der Gerichtshof weiter. Die Regelungen seien auch trotz der Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen, wie „technisch durchführbar“ oder „wirtschaftlich vertretbar“ hinreichend bestimmt gefasst. Bei Unklarheiten bestehe für Heimbetreiber die Möglichkeit der Abstimmung mit der Heimauf­sichts­behörde.

Berufsfreiheit der Heimbetreiber durch Verordnung nicht verletzt

Die von der Antragstellerin vor allem kritisierte Regelung, dass allen Heimbewohnern ein Einzelzimmer zur Verfügung stehen müsse und ein möglichst hoher Anteil der Einzelzimmer so gestaltet werden solle, dass jeweils zwei neben­ein­an­der­liegende Zimmer zu einer Nutzungseinheit zusammen geschlossen und von zwei Personen gemeinsam genutzt werden könnten, verletze nicht die Berufsfreiheit der Heimbetreiber, heißt es in den Gründen des Urteils. Bereits jetzt überrage der Anteil der Einzelzimmer den der Doppelzimmer. Die Regelung sei daher nicht derart einschneidend, dass sie nur vom Parlament und nicht im Wege der Verordnung erlassen werden könnte. Auch werde nicht die Freiheit der Berufswahl beschränkt, sondern nur die Berufsausübung geregelt. Wegen der langen Übergangsfrist von 10 Jahren, die unter Umständen auf bis zu 25 Jahre verlängert werden könne, und wegen der unter bestimmten Voraussetzungen bestehenden Möglichkeit, eine Befreiung zu erhalten, sei nicht zu befürchten, dass bereits bestehende Heime wegen der Einzel­zim­mer­re­gelung nicht mehr rentabel betrieben werden könnten.

Einzel­zim­me­rer­for­dernis aufgrund der Überg­angs­fristen für Heimbetreiber nicht unzumutbar

Mit der Vorschrift verfolge der Gesetzgeber das legitime Gemeinwohlziel, den Bewohnern von Heimen eine angemessene Qualität des Wohnens und eine geschützte Privat- und Intimsphäre ermöglichen. Die Regelung sei nicht deshalb ungeeignet, weil das Verbot von Doppel- oder Mehrbettzimmern zugleich auch die Wahlfreiheit derjenigen beeinträchtige, die für eine angemessene Qualität des Wohnens gerade nicht in einem Einzelzimmer leben, sondern sich für ein Doppelzimmer entscheiden wollten, wie es vor allem bei Ehepaaren der Fall sein könne. Diesem Wunsch trage die Landes­heim­bau­ver­ordnung dadurch Rechnung, dass ein möglichst hoher Anteil von Einzelzimmern so gestaltet werden solle, dass jeweils zwei neben­ein­an­der­liegende Zimmer zu einer Nutzungseinheit zusam­men­ge­schlossen und auch so aufgeteilt werden könnten, dass auf Wunsch ein Zimmer als gemeinsamer Schlafraum genutzt werden könne. Einzelfälle, in denen dies nicht zu einer befriedigenden Lösung führe, seien äußerst selten und hätten daher vom Verord­nungsgeber nicht berücksichtigt werden müssen. Die Schaffung des notwendigen Anteils an Einzelzimmern hätte auch nicht der Selbst­re­gu­lierung des Marktes überlassen werden können. Die oft kurzfristig zu treffende Entscheidung für ein (Pflege)Heim werde von zahlreichen Faktoren, wie etwa Lage, Verfügbarkeit und Kosten, beeinflusst. In vielen Fällen sei der Pflege­be­dürftige auch von dem Urteil anderer abhängig, die teilweise andere Interessen verfolgen könnten. Zudem würden Pflege­be­dürftige, deren Heimkosten ganz oder teilweise von Sozia­l­hil­fe­trägern übernommen würden, von diesen bei einer Wahl zwischen der Unterbringung in einem Einzel- oder in einem Doppelzimmer oftmals auf die kosten­güns­tigere Alternative des Doppelzimmers verwiesen. Die Wahl des Heimes und vor allem der Art und Weise der Unterbringung könnten daher tatsächlich nicht immer frei von jedweden äußeren Umständen erfolgen. Das Einzel­zim­me­rer­for­dernis sei für die Heimbetreiber wegen der Überg­angs­fristen, der Ausnah­me­tat­be­stände und der Befrei­ungs­mög­lichkeit schließlich auch nicht unzumutbar.

Verordnung soll insti­tu­ti­o­nellen Charakter von Heimen zurückzudrängen und überschaubare, famili­en­ähnliche soziale Milieus für Heimbewohner gewährleisten

Auch die weitere von der Antragstellerin angegriffene Regelung zur Wohngrup­pengröße, nach der in Wohnungen nicht mehr als 8 und in Wohngruppen höchstens 15 Bewohner aufgenommen werden sollten, verstoße nicht gegen grundrechtliche Freiheiten der Heimbetreiber. Ziel dieser Regelung sei es, den insti­tu­ti­o­nellen Charakter von Heimen zurückzudrängen, überschaubare, famili­en­ähnliche soziale Milieus zu gewährleisten und die Lebens­be­din­gungen in Heimen an normale Wohnver­hältnisse anzupassen. Gerade für demenziell erkrankte Pflege­be­dürftige seien kleinere Gruppen wichtig. Als Soll-Regelung, die in atypischen Fällen Abweichungen zulasse, sei die Vorschrift, die nicht per se eine höhere Zahl an Pflege­fach­kräften erfordere, verhältnismäßig, zumal auch hier die langen Überg­angs­fristen gälten und die Möglichkeit einer Befreiung bestehe. Schließlich seien auch die übrigen Vorschriften der Landes­heim­bau­ver­ordnung, auch soweit sie nicht zulässiger Gegenstand des Normen­kon­trol­lantrags seien, nicht zu beanstanden.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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