21.11.2024
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Dokument-Nr. 10184

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil29.04.2010

Auch Fachklinik für psycho­so­ma­tische Medizin kann zur Zahlung von Fremden­ver­kehrs­bei­trägen verpflichtet seinStadt darf jedoch bei der Bemessung des Beitrags den eingeräumten Schät­zungs­spielraum nicht überschreiten

Auch eine Fachklinik für psycho­so­ma­tische Medizin muss grundsätzlich einen Fremden­ver­kehrs­beitrag zahlen. Die Stadt darf dabei aber den ihr bei der Bemessung dieses Beitrags eingeräumten Schät­zungs­spielraum nicht überschreiten. Das hat der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg entschieden.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls, eine in Bad Mergentheim ansässige Fachklinik für psycho­so­ma­tische Medizin mit ca. 70 Betten, wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2000 in Höhe von 6.589 Euro. Die Klinik hat sich auf die Behandlung von Essstörungen, Borderline-Störungen und Traumata spezialisiert und vor diesem Hintergrund wird sie in über der Hälfte der Fälle von minderjährigen Patienten aufgesucht. Die Stadt Bad Mergentheim, ein anerkannter Kur- und Heilort, erhebt von allen Selbständigen, denen aus dem Kurbetrieb besondere wirtschaftliche Vorteile erwachsen, zur Förderung ihres Kurbetriebs einen Fremden­ver­kehrs­beitrag. Die Höhe des Beitrags bemisst sich danach, in welchem Umfang die Einkünfte des Betreffenden aus dem Kurbetrieb herrühren. Dieser so genannte Kuranteil wird durch Schätzung ermittelt. Nach der einschlägigen Satzung der Stadt wird der Fremden­ver­kehrs­beitrag dann in einem zweiten Schritt auf 10 % des Kuranteils festgesetzt. Die Klägerin hat sich gegen den festgesetzten Fremden­ver­kehrs­beitrag mit der Begründung gewendet, ihr erwüchsen aus dem Kurbetrieb überhaupt keine wirtschaft­lichen Vorteile. Im Übrigen habe die Stadt den Kuranteil jedenfalls zu hoch geschätzt. Vor dem Verwal­tungs­gericht war ihre Klage erfolglos. Dagegen ist der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg der Argumentation der Klägerin teilweise gefolgt.

Neben fachlicher Kompetenz stellen auch Klinikumgebung und Kurein­rich­tungen Kriterium für Auswah­l­ent­scheidung dar

Die Beitragspflicht der Klinik werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich die Patienten in erster Linie wegen der fachlichen Kompetenz des ärztlichen Personals und des therapeutischen Umfelds zur Behandlung in die Klinik begeben würden, heißt es in den Entschei­dungs­gründen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass bei einem gewissen Prozentsatz der Patienten - neben der im Vordergrund stehenden fachlichen Kompetenz - die Klinikumgebung und die Kurein­rich­tungen ein Kriterium für die Auswah­l­ent­scheidung darstellten und damit ein Teil der Umsätze der Klägerin auch fremden­ver­kehrs­bedingt erwirtschaftet würden. Dies gelte zunächst für Privatpatienten, die im Vergleich zu Kassenpatienten eine größere Einfluss­mög­lichkeit auf die Wahl der Klinik hätten. Aber auch bei Kassenpatienten erscheine eine Einfluss­mög­lichkeit der Patienten bzw. ihrer Eltern auf den einweisenden Arzt nicht ausgeschlossen, zumal insbesondere bei der Behandlung psychischer Erkrankungen das Engagement des Patienten und damit auch seine Wünsche wesentlich für den Behand­lungs­erfolg seien. Auch die Klinik habe auf ihrer Internetseite - jedenfalls in der Vergangenheit - mit der schönen Umgebung und der idyllisch gelegenen Stadt geworben, deren Vorteile auch für minderjährige Patienten attraktiv seien.

Eingeräumter Spielraum bei Schätzung des Fremden­ver­kehrs­beitrags überschritten

Die Stadt habe allerdings den ihr bei der Schätzung des Fremden­ver­kehrs­beitrags eingeräumten Spielraum überschritten, so der Verwal­tungs­ge­richtshof weiter. Der von ihr angesetzte Kuranteil in Höhe von 30 % hänge mangels greifbarer Anhaltspunkte in der Luft. Zu Recht sei sie zwar davon ausgegangen, dass der überwiegende Teil der Verdienst- und Gewinn­mög­lich­keiten der Klinik auf fachlichen Gesichtspunkten und nicht auf dem Kurbetrieb beruhe. Auch habe die Stadt zutreffend erkannt, dass der Klinik im Rahmen der Behandlung von Privatpatienten - im Vergleich zu den Kassenpatienten - in (weitaus) größerem Umfang Verdienst- und Gewinn­mög­lich­keiten eröffnet seien, die sich unmittelbar auf den Kurbetrieb zurückführen ließen. Sie habe jedoch nicht ermittelt, welcher Anteil der Einkünfte auf der Behandlung von Privatpatienten und welcher Anteil auf der Behandlung von Kassenpatienten beruht habe. Erst auf der Basis einer solchen konkreten Vorteils­schätzung für jede der beiden „Patien­ten­gruppen“ könne jedoch eine plausible und nachvoll­ziehbare Gesamtschätzung des Kuranteils erfolgen.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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